Werke
zur Seite schritten zwei sehr feierlich, von denen jeder einen Handschuh des Hauptmanns, und scheinbar mit der angestrengtesten Mühe, trug. Nun führten zwei an den Armen den erwählten Hauptmann selbst; der wollte alles mit den Blicken vergiften, fluchte, tobte, knirschte mit den Zähnen, aber er befand sich in der Gewalt der Jünglinge, und je mehr er sich toll gebärdete, zu desto abenteuerlicheren Grimassen wußten ihn seine Führer zu zwingen. Vorzüglich verstand Raphael sich darauf, den Hauptmann in beständigem Atem zu erhalten, so daß er’s war, dem der Unbekannte den größten Tort verdankte.
So bewegte sich der Zug langsam fort, als plötzlich Albrecht Dürer vor Raphael stand. –
Es ist nötig zu sagen, daß Albrecht Dürer sich ebenfalls mit seinem Weibe und dem Herrn Doktor Mathias auf der Hallerwiese ein weniges ergehen wollte. Doch geschah es wie immer; es gesellten sich so viele edle Freunde zu ihm, daß seine Umgebung oder vielmehr sein Gefolge bald einen Festzug zu bilden schien. Heute kam noch dazu, daß viele Fürsten und Herren, die sich gerade in Nürnberg befanden, ebenfalls nicht verschmähet hatten, mit einer zahlreichen, glänzend gekleideten Dienerschaft die Hallerwiese zu besuchen. Wohl war es Dürer, der sie dazu bewog; denn ihn umgaben sie, huldigend seiner Kunst nicht allein, sondern auch seiner anmutigen Beredsamkeit, dem harmonischen Wohllaut seines ganzen Wesens. –
Dürers Antlitz war kräftig und voll Ausdruck eines erhabenen Sinnes. Die Züge drückten sich indessen zu markicht aus, um nicht ein gewisses Gleichgewicht der Bildung aufzuheben, wodurch ein Antlitz schön wird. Den tiefsinnigen Künstler zeigte der begeisterte Blick, der oft unter den buschichten, scharf zusammengezogenen Augenbrauen hervorstrahlte, den liebenswürdigen Menschen ein unaussprechlich anmutiges Lächeln, zu dem sich seine Lippen verzogen, wenn er sprach. Viele wollten unter Dürers Augen einen gewissen krankhaften Zug bemerken, sowie aus der nicht ganz natürlichen Färbung der Wangen auf die besorgliche Andeutung eines innern geheimen Übels schließen. Man findet diese Färbung zuweilen auf Dürers Bildern, vorzüglich bei Klostergestalten, mit vieler Wirkung angebracht, und dieses zeigt, daß Dürer sein eignes Kolorit nicht verkannte.
Dürer verschmähte nicht, sich zierlich zu kleiden und so seinem wohlgebauten Körper, dessen einzelne Glieder ihm oft selbst zum Modell dienten, sein Recht anzutun. Seine ganze Gestalt war heute an dem schönen Sonntage besonders herrlich anzusehen. Er trug ein gewöhnliches Überkleid von schwarzer Lyoner Seide. Der Kragen und die Ärmel mit gerissenem Samt von derselben Farbe in zierlichem Muster besetzt. Das auf der Brust weit ausgeschnittene Wams war von buntem venetianischen Goldstoffe. Das bauschichte, vielfaltige Beinkleid reichte nur bis an das Knie. Übrigens trug Dürer zu diesem Festanzuge, wie es Sitte war, weißseidene Strümpfe, große Bandschleifen auf den Schuhen und ein Barett, das nur das halbe Haupt bedeckte und nur mit einer kleinen krausen Feder und einem prächtigen Edelstein, einer Verehrung des Kaisers, geschmückt war.
So trat also Dürer plötzlich seinem Pflegesohn entgegen, indem er mit strenger Stimme sprach: »Raphael, Raphael! welchen Unfug treibst du; spiel’ nicht vor diesen edlen Fürsten und Herren den Schalksnarren.«
In dem Augenblick trafen Solfaterras und Dürers Blicke zusammen wie funkelnde Schwerter. Solfaterra sprach mit seltsamem Ton: »Der Prunknarr macht mich auch noch nicht tot,« und stolperte fort durchs Gedränge. Dürer schien sich von einer tiefen Bewegung erholen zu müssen, dann wandte er sich zu seiner Umgebung mit den Worten, die den bebenden Lippen mühsam entflohen: »Laßt uns von hinnen gehn, ihr edlen Herren!«
Mag der geneigte Leser es sich gefallen lassen, in das Haus des edlen Patriziers Harsdorfer und zwar in das kleine Zimmer mit dem gotischen Erker geführt zu werden, in dem sich die Alten aufzuhalten pflegten, wenn sie aufgestanden und sich angekleidet hatten.
Beide, Harsdorfer und seine Frau, traten sich nicht, wie sonst, froh und freudig entgegen; vielmehr zeugte die Blässe ihres Antlitzes von der tiefen Bekümmernis, die in ihrem Herzen nagte. Schweigend boten sie sich den Morgengruß, dann ließen sie sich in die schwerfälligen, mit reichem Schnitzwerk verzierten Lehnsessel nieder, die an einem solchen Tische standen, über dem ein reicher grüner Teppich ausgebreitet lag. Frau
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