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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Emerentia hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet und sah in tiefer Bekümmernis vor sich nieder. Herr Harsdorfer schaute, den Arm auf den Tisch gestützt, durch das Erkerfenster in den leeren Himmelsraum.
    So hatten die Alten eine Weile gesessen, als Herr Harsdorfer endlich leise sprach: »Emerentia, warum sind wir so traurig?«
    »Ach,« erwiderte Frau Emerentia, indem sie die Tränen, die ihr in die Augen traten, nicht mehr zurückhalten konnte, »ach! Melchior, ich habe dich die ganze Nacht hindurch seufzen und leise beten gehört und mit dir geseufzt und gebetet. Unsre arme Tochter Mathilde.«
    »Sie ist,« sprach Harsdorfer mit mehr wehmütigem als strengem Ton, »sie ist von einer heftigen, verderblichen Leidenschaft befangen worden, die wie ein böses Gift an ihrem Innern zehrt. Mag mich die Gnade des Himmels erleuchten und mir Mittel an die Hand geben, das arme Kind dem Verderben zu entreißen, ohne es selbst zu verderben. Du weißt, Emerentia, mir stünde allenfalls die Gewalt zu Gebote; ich könnte den unbesonnenen Jüngling fortschaffen. Ich könnte –«
    »Um Gott,« fiel die Frau ihm in die Rede, »Melchior, du bist alles dessen nicht fähig; denke an Dürer, denke an Mathilde, deren Herz du zerfleischest; und sage selbst, Melchior, ob das arme liebe Kind nicht zu entschuldigen. Als ein unglücklicher Zufall den Jüngling in unser Haus führte, war er nicht die Liebenswürdigkeit selbst? Welche Sanftmut im Betragen, welche Zartheit in dem Beachten aller der kleinen Aufmerksamkeiten, die das jungfräuliche Herz nur zu leicht bestricken. Raphael ist in jeder Hinsicht ein außerordentlicher Mensch, und darf er an Kraft und Schönheit dem Erzengel verglichen werden, so verdient sein auserlesener Verstand und sein hoher vortrefflicher Geist in einem solchen schönen Hause zu wohnen. Wahr ist’s, sein wildes, ungezähmtes Temperament reißt ihn zu tollen, übermütigen Streichen hin. Aber hast du, Vater, jemals von einer wirklich nur schlimmen Tat vernommen, die Raphael verübt haben soll? Vielleicht ist doch Raphael ein guter Mensch.« –
    »In der Tat,« nahm Harsdorfer das Wort, indem er sanft lächelte, »in der Tat, du verteidigst den wilden Raphael mit so vieler weiblicher Geschicklichkeit, daß es nur not täte, ihm unsere Mathilde in die Arme zu werfen.«
    »Mitnichten,« erwiderte Frau Emerentia, »mit Schrecken denke ich daran, daß es möglich sein sollte, die Tochter dem ausgelassenen Jüngling aufzuopfern. Raphaels Temperament gleicht einem klaren Bach, der zwischen anmutigen Wiesenflecken dahinplätschert und vorbeifließend jede Blume liebkoset. Doch peitscht ihn der wilde Sturm, so brausen seine Wellen hoch empor; er wird zum wilden Waldstrom, reißt alles schonungslos mit sich fort und schont selbst der geliebten Blumen nicht.«
    »Ei,« sprach Herr Harsdorfer mit etwas spitzem Ton, »das ganze schöne Gleichnis, das jedem Meistersänger Ehre machen würde, hast du wohl dem Herrn Doktor Mathias Salmasius zu verdanken.«
    »O!« sprach Frau Emerentia weiter, »o glaube, Vater, daß auch eine einfache Matrone, ist sie Mutter, in diesem Gefühl außer sich selbst hinausschreiten und ein anderes Wesen werden kann. Laß es mich dir mit einem andern Gleichnis sagen, daß Mathildens stille Sanftmut nur wie eine dünne Eisdecke über einer stets zehrenden Feuerglut liegt, die jeden Augenblick brechen kann. Die größte Gefahr führt Mathildens grenzenlose Liebe herbei. Doch eine leise Hoffnung ist mir gestern bei dem ärgerlichen Vorfall auf der Hallerwiese aufgegangen. Zum erstenmal mußte Mathilde Raphaels wildes, bedrohliches Wesen erkennen; ja, ihre züchtige Jungfräulichkeit wurde dadurch unmittelbar schmerzlich berührt. Ein einziges unbesonnenes, selbst bewußtloses Beginnen des Mannes, wodurch die Geliebte verletzt wird, ist ein Fleck am sonnenhellen Himmel der Liebe, der selten wieder verschwindet.
    Doch sage, Vater, was tun, was beginnen?« –
    »Ernste väterliche Ermahnungen«, sprach Herr Harsdorfer, »sind vorderhand der einzige Damm, den ich diesem reißenden Strom entgegensetzen kann; und wie lange wird’s dauern, bis die glühende Leidenschaft wenigstens sich so weit abgekühlt hat, daß der Sinn nur im mindesten der Vernunft sich hinneigt. Doch mich dünkt, ich höre unser liebes Kind mit unserm Morgenimbiß die Treppe heraufschreiten. Sie wird auf unserm kummervollen Gesichte lesen, welche tiefe Sorge sie uns verursacht.«
    In der Tat öffnete sich die Türe, und herein trat

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