Werke
Schultern und sprach: »Bedenkt, daß Ihr in Nürnberg seid, ehe Ihr Euch vermeßt, von Lug und Trug zu sprechen.«
»Fallt ihr alle über mich her,« sprach der Fremde in rauhem Ton, indem er giftige Blicke umherwarf und vorzüglich den Herrn Mathias mit Basiliskenaugen anglotzte, »so muß ich freilich unterliegen, doch auch dabei bleiben, daß das Glas Wein, das mir der Wirt darbot, ein Absud von höllischen Kräutern schien und den Magen, statt ihn zu erwärmen, wie ein Eisstrom durchfuhr.«
»Ich merke,« sprach Herr Mathias lächelnd, »daß das Mißverständnis, welches hier den Grund zu allem Streit gegeben hat, darin liegt, daß hierzulande Würzwein oder Firnewein ein aus Kräutern bereiteter Wein genannt wird. Ihr, mein fremder Herr Soldat, oder was Ihr sonst mit Eurem breiten Schwerte vorstellen mögt, verlangtet aber nur, Euch den kalt gewordenen Leib recht durchzuwärmen, ein Getränk, welches aus mit vielem Gewürze und Zucker gekochtem Wein besteht. Dieser Trank, welcher im Auslande eben gewürzter Wein heißt, ist hier wenig bekannt, und Ihr hättet daher wohlgetan, wenn Ihr Euch deutlich erklärt hättet, was Ihr zu trinken verlangt, ohne erst unnützerweise den großen Tumult anzufangen.«
Hierauf bestellte Herr Mathias bei dem Wirt ein solch fremdartiges Gebräude, wie es der Soldat im Sinn trug, und der Wirt, froh den Streit auf solche gute Weise geendet zu sehen, versprach kratzfüßelnd, daß er alles selbst, und zwar hier in der Gastküche unter den Augen des wilden Soldaten, auf das beste bereiten wolle.
Der Fremde begann auf eine Weise, die ungeschickt genug war, um nicht den Widerwillen dagegen hinlänglich zu beweisen, sein früheres Betragen mit dem Einfluß der Witterung und auf der Reise erfahrnen Unannehmlichkeiten zu entschuldigen; worauf er zuletzt um die Erlaubnis bat, seinen Wein in der Gesellschaft verzehren zu dürfen, als Zeichen der Versöhnung. Dies wurde ihm, der Nürnberger Gutmütigkeit gemäß, sehr gern verstattet.
Der Glühwein war fertig worden. Der Fremde hatte das halbe Glas geleert und den Wein diesmal vortrefflich gefunden. Nun warf er, als eben das Gespräch stocken wollte, ganz leicht die Frage hin: »Lebt Albrecht Dürer noch?«
Alle schrien im höchsten Erstaunen. »Wie, Albrecht Dürer, ob er lebt?« Aber Herr Mathias schlug die Hände zusammen und sprach: »Herr! kommt Ihr aus dem Monde? in welchem Winkel der Erde, in welcher Einöde habt Ihr Euch verborgen gehabt? habt Ihr im Grabe gelegen? seid Ihr indessen blind, taub, lahm, stumm gewesen, daß Ihr eine solche Frage tun könnt? Ihr müßt samt Eurem lahmen Pferde hier vor dem Wirtshaus aus dem Schlunde der Erde emporgesprungen sein, denn sonst hätte Euch auf dem Wege hierher der große Name Albrecht Dürer in tausendstimmigem Jubel vor den Ohren klingen müssen. Habt Ihr auf der Landstraße nicht die Fülle der Leute bemerkt, die wie auf einer Pilgerfahrt nach dem lieben Nürnberg wandeln? Habt Ihr nicht die glänzenden Equipagen der vornehmen Fürsten und Herren bemerkt, die gen Nürnberg ziehen, um den Triumph des größten Mannes der Zeit zu feiern? – Albrecht Dürer!
Er hat sein größtes, sublimstes, tiefsinnigstes, herrlichstes Gemälde vollendet. Die Kreuzigung Christi steht ausgestellt auf dem Kaisersaal in hoher Vollendung. Ein besonderes Fest wird in künftiger Woche dieserhalb gefeiert, an dem, wie man sagt, der Kaiser seinen Liebling noch mit ganz besondern Gunstbezeugungen beehren wird.«
Der Fremde hatte, von seinem Sitz aufgesprungen, dies wie ganz erstarrt, ohne Zeichen des Lebens angehört. Nun schlug er eine gellende Lache auf und sank in krampfhaften Verzuckungen in den Sessel zurück.
Der Wirt flößte ihm Glühwein ein und brachte ihn dadurch zu sich selbst. »Unseres Bleibens ist länger nicht hier,« sprachen die Gäste und schlichen davon.
Indem Herr Mathias den Fremden vorüberging, legte er ihm die Hand auf die Achsel und sprach sehr ernst und feierlich: »Ihr seid Solfaterra. Was wollt Ihr hier? Noch haben die Nürnberger Euch nicht vergessen.«
Zweites Kapitel
Die Sonnenglut des Tages war verdampft, der Abendwind hatte sich hinter den Bergen aufgemacht und jagte die goldenen Wölkchen empor, die die sinkende Sonne wie glänzende Trabanten umfangen sollten. Baum und Gebüsch rührte sich froh in der Frische der Abendkühlung; in dem schönsten glänzendsten Schmuck des Abendgoldes stand die Hallerwiese, dies kleine Paradies der schönen Stadt Nürnberg. Bunte,
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