Werke
zu ihm mit den Worten: »Albrecht! es ist, als wenn Eure Seele mit einem ungeheuren Schmerz kämpfe, der Euch wie ein drachenartiges Ungeheuer umwunden, und dessen Verschlingungen Ihr Euch zu entwinden vergeblich mühtet.«
Albrecht richtete sich ein wenig von dem Ruhebette empor, und nun gewahrte Mathias zuerst die Leichenblässe seines Antlitzes, und wie sich über seine ganzen Züge jener besondere bedrohliche Charakter verbreitet hatte, den Hippokrates als ein untrügliches Zeichen einer Krankheit, die den ganzen Organismus gewaltsam ergreift und vorzüglich in den Ganglien ihren Ursprung findet, angibt. »Um Gott!« rief Herr Mathias, indem er die Hände zusammenschlug, »um Gott, mein würdiger Freund Dürer, was ist dir widerfahren? Aber sieh, wie unser frommer Freundschaftsbund unsere ganze Seele erfüllt; heute am frühen Morgen ließ mir der Gedanke keine Ruhe, daß du hierher gegangen und krank geworden wärest. Ich eilte hierher.« –
»Ach!« unterbrach ihn Dürer, »es ist meine Sehnsucht, die dich hierher gezogen. Laß mich, o mein Freund, in deine treue Seele mein ganzes Ich ausschütten, das schon das deinige ist.« Albrecht Dürer sank vor Mattigkeit sanft auf das Ruhebette zurück und begann mit schwacher krankhafter Stimme: »Ich weiß nicht, was seit einigen Tagen mich für eine seltsame Traurigkeit und Befangenheit des Geistes oft bis zur Qual ängstigt. Meine Arbeit geht mir nicht vonstatten, und fremde, verworrene Bilder, die sich eindrängen wie feindliche Geister in die Werkstatt meiner Gedanken, werde ich nicht los, unerachtet ich die ewige Macht des Himmels anflehe, mich zu befreien von dieser Ärgernis des Bösen.« –
»Er ist hier,« sprach Mathias mit bedeutendem Ton. »Ich weiß es,« erwiderte Dürer sehr schwach. »Fürchtet nichts,« fuhr Herr Mathias fort; »was vermag der Ohnmächtige gegen Euch, der Ihr überall im mächtigsten Schutz und Schirm steht.«
Beide schwiegen einige Augenblicke, dann begann Albrecht: »Als ich heute früh erwachte, fielen die ersten Strahlen der Morgenröte in mein Zimmer. Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen, öffnete die Fenster und erlabte mein Gemüt im frommen Gebet zu der höchsten Macht des Himmels. Eifrig und eifriger betete ich, aber kein Trost kam in das wunde Gemüt, und es war, als wende sich die heilige Jungfrau von mir ab mit ernstem, wo nicht zürnendem Blick. Ich weckte mein Weib und sagte ihr, daß ich in der tiefen Bekümmernis meines Herzens einen Gang nach dem Burgwall machen und dann hierher gehen wolle. Zu rechter Zeit solle man mir die Festkleider schicken, damit ich mich ankleide und hier erscheine, ohne hergeführt werden zu dürfen. – Mathias! als der Ratsdiener die großen Pforten des Kaisersaals aufschlug, als ich mein großes Gemälde erblickte, das den ganzen Hintergrund einnimmt und das in den Morgenwolken eingehüllt schien, aus denen zweideutige Streiflichter es anschielten, als ich noch einen Teil des Malergerüstes, die Farbentöpfe, Malerschurz und Mütze gewahrte, die noch von der letzten Arbeit zurückgeblieben, da ich an Ort und Stelle retuschierte, da überfiel mich jene Traurigkeit noch empfindlicher und härter; ja, eine Bangigkeit drohte mir die Brust zu ersticken; was ich gewollt, nämlich mein Bild der strengsten Musterung unterwerfen, mußte unterbleiben. Einmal – Mathias, erschreckt nicht – mein eigenes Gebilde jagte mir in diesem Augenblick das Entsetzen zerschmetternder Majestät ein und dann – ich hätte ja vor Schwindel und Mattigkeit das Gerüst nicht besteigen können. Mit geschloßnen Augen schwankte ich durch die langen Gänge in dies Zimmer, wo ich ermattet auf das Ruhebette sank. In einem Halbschlummer gedachte ich nun meines ganzen Lebens, und wie ich mich aus eignen Trieben zur heiligen Malerkunst gewendet. Ich darf Euch, mein lieber Freund Mathias, die so bekannte Geschichte meiner Kindheit wohl nicht wiederholen, aber so viel mag ich sagen, daß nicht allein die Gebilde der Menschen, deren Antlitz mich besonders ansprach, sondern daß auch Gestalten beim Lesen der heiligen Historien in meinem Innern aufgingen, die zum Teil so schön und herrlich waren, daß sie dieser Erde nicht angehören konnten, welche ich mit solch unaussprechlicher Liebe umfaßte, daß ich ihnen meine ganze Seele zuwandte. Aber diese Liebe konnte ich nicht anders ins feurige Leben treten lassen, als wenn ich sie aus meiner innigsten Seele heraus auf der Tafel darstellte.
Hier habt Ihr, mein Freund
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