Werke
zum ewigen Gefängnis verurteilte. Als ich schon mehrere Wochen in dem dumpfen, feuchten Kerker zugebracht hatte, verfluchte ich mich und mein Dasein, ich lästerte Gott und die Heiligen, da trat im glühend roten Scheine der Satan zu mir und sprach, daß, wenn ich meine Seele ganz dem Höchsten abwenden und ihm dienen wolle, er mich befreien werde. Heulend stürzte ich auf die Knie und rief: ›Es ist kein Gott, dem ich diene, du bist mein Herr, und aus deinen Gluten strömt die Lust des Lebens.‹ – Da brauste es in den Lüften wie eine Windsbraut, und die Mauern dröhnten, wie vom Erdbeben erschüttert, ein schneidender Ton pfiff durch den Kerker, die Eisenstäbe des Fensters fielen zerbröckelt herab, und ich stand, von unsichtbarer Gewalt hinausgeschleudert, im Klosterhofe. Der Mond schien hell durch die Wolken, und in seinen Strahlen erglänzte das Standbild des heiligen Antonius, das mitten im Hofe bei einem Springbrunnen aufgerichtet war. – Eine unbeschreibliche Angst zerriß mein Herz, ich warf mich zerknirscht nieder vor dem Heiligen, ich schwor dem Bösen ab und flehte um Erbarmen; aber da zogen schwarze Wolken herauf, und aufs neue brauste der Orkan durch die Luft, mir vergingen die Sinne, und ich fand mich erst im Walde wieder, in dem ich, wahnsinnig vor Hunger und Verzweiflung, umhertobte und aus dem Sie mich erretteten.‹ – So erzählte der Mönch, und seine Geschichte machte auf mich solch einen tiefen Eindruck, daß ich nach vielen Jahren noch so wie heute imstande sein werde, alles Wort für Wort zu wiederholen. Seit der Zeit hat sich der Mönch so fromm, so gutmütig betragen, daß wir ihn alle lieb gewannen, und um so unbegreiflicher ist es mir, wie in voriger Nacht sein Wahnsinn hat aufs neue ausbrechen können.«
»Wissen Sie denn gar nicht«, fiel ich dem Förster ins Wort, »aus welchem Kapuzinerkloster der Unglückliche entsprungen ist?« – »Er hat mir es verschwiegen,« erwiderte der Förster, »und ich mag um so weniger darnach fragen, als es mir beinahe gewiß ist, daß es wohl derselbe Unglückliche sein mag, der unlängst das Gespräch des Hofes war, unerachtet man seine Nähe nicht vermutete und ich auch meine Vermutung zum wahren Besten des Mönchs nicht gerade bei Hofe laut werden lassen mochte.« – »Aber ich darf sie wohl erfahren,« versetzte ich, »da ich ein Fremder bin und noch überdies mit Hand und Mund versprechen will, gewissenhaft zu schweigen.« – »Sie müssen wissen,« sprach der Förster weiter, »daß die Schwester unserer Fürstin Äbtissin des Zisterzienserklosters in *** ist. Diese hatte sich des Sohnes einer armen Frau, deren Mann mit unserm Hofe in gewissen geheimnisvollen Beziehungen gestanden haben soll, angenommen und ihn aufziehen lassen. Aus Neigung wurde er Kapuziner und als Kanzelredner weit und breit bekannt. Die Äbtissin schrieb ihrer Schwester sehr oft über den Pflegling und betrauerte vor einiger Zeit tief seinen Verlust. Er soll durch den Mißbrauch einer Reliquie schwer gesündigt haben und aus dem Kloster, dessen Zierde er so lange war, verbannt worden sein. Alles dieses weiß ich aus einem Gespräch des fürstlichen Leibarztes mit einem andern Herrn vom Hofe, das ich vor einiger Zeit anhörte. Sie erwähnten einiger sehr merkwürdiger Umstände, die mir jedoch, weil ich all die Geschichten nicht von Grund aus kenne, unverständlich geblieben und wieder entfallen sind. Erzählt nun auch der Mönch seine Errettung aus dem Klostergefängnis auf andere Weise, soll sie nämlich durch den Satan geschehen sein, so halte ich dies doch für eine Einbildung, die ihm noch vom Wahnsinn zurückblieb, und meine, daß der Mönch kein anderer als eben der Bruder Medardus ist, den die Äbtissin zum geistlichen Stande erziehen ließ, und den der Teufel zu allerlei Sünden verlockte, bis ihn Gottes Gericht mit viehischer Raserei strafte.«
Als der Förster den Namen Medardus nannte, durchbebte mich ein innerer Schauer, ja die ganze Erzählung hatte mich wie mit tödlichen Stichen, die mein Innerstes trafen, gepeinigt. – Nur zu sehr war ich überzeugt, daß der Mönch die Wahrheit gesprochen, da nur eben ein solches Getränk der Hölle, das er lüstern genossen, ihn aufs neue in verruchten gotteslästerlichen Wahnsinn gestürzt hatte. – Aber ich selbst war herabgesunken zum elenden Spielwerk der bösen, geheimnisvollen Macht, die mich mit unauflöslichen Banden umstrickt hielt, so daß ich, der ich frei zu sein glaubte, mich nur innerhalb des
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