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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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zusammenkrachten, sprang die Tür auf, ein schneidendes Gelächter gellte herein. »Ho ho... ho... ho Brüderlein,« schrie ich wahnsinnig auf, »hoho... hieher... frisch, frisch, wenn du kämpfen willst mit mir... der Uhu macht Hochzeit; nun wollen wir auf das Dach steigen und ringen miteinander, und wer den andern herabstößt, ist König und darf Blut trinken.« – Der Leibarzt faßte mich in die Arme und rief: »Was ist das? was ist das? Sie sind krank... in der Tat, gefährlich krank. Fort, fort, zu Bette.« – Aber ich starrte nach der offnen Türe, ob mein scheußlicher Doppeltgänger nicht hereintreten werde, doch ich erschaute nichts und erholte mich bald von dem wilden Entsetzen, das mich gepackt hatte mit eiskalten Krallen. Der Leibarzt bestand darauf, daß ich kränker sei, als ich selbst wohl glauben möge, und schob alles auf den Kerker und die Gemütsbewegung, die mir überhaupt der Prozeß verursacht haben müsse. Ich brauchte seine Mittel, aber mehr als seine Kunst trug zu meiner schnellen Genesung bei, daß das Klopfen sich nicht mehr hören ließ, der furchtbare Doppeltgänger mich daher ganz verlassen zu haben schien.
    Die Frühlingssonne warf eines Morgens ihre goldnen Strahlen hell und freundlich in mein Zimmer, süße Blumendüfte strömten durch das Fenster; hinaus ins Freie trieb mich ein unendlich Sehnen, und des Arztes Verbot nicht achtend, lief ich fort in den Park. – Da begrüßten Bäume und Büsche rauschend und flüsternd den von der Todeskrankheit Genesenen. Ich atmete auf, wie aus langem schwerem Traum erwacht, und tiefe Seufzer waren des Entzückens unaussprechbare Worte, die ich hineinhauchte in das Gejauchze der Vögel, in das fröhliche Sumsen und Schwirren bunter Insekten.
    Ja! – ein schwerer Traum dünkte mir nicht nur die letztvergangene Zeit, sondern mein ganzes Leben, seitdem ich das Kloster verlassen, als ich mich in einem von dunklen Platanen beschatteten Gange befand. – Ich war im Garten der Kapuziner zu B. Aus dem fernen Gebüsch ragte schon das hohe Kreuz hervor, an dem ich sonst oft mit tiefer Inbrunst flehte um Kraft, aller Versuchung zu widerstehen. – Das Kreuz schien mir nun das Ziel zu sein, wo ich hinwallen müsse, um, in den Staub niedergeworfen, zu bereuen und zu büßen den Frevel sündhafter Träume, die mir der Satan vorgegaukelt; und ich schritt fort mit gefalteten emporgehobenen Händen, den Blick nach dem Kreuz gerichtet. – Stärker und stärker zog der Luftstrom – ich glaubte die Hymnen der Brüder zu vernehmen, aber es waren nur des Waldes wunderbare Klänge, die der Wind, durch die Bäume sausend, geweckt hatte, und der meinen Atem fortriß, so daß ich bald erschöpft stillstehen, ja mich an einen nahen Baum festhalten mußte, um nicht nieder zu sinken. Doch hin zog es mich mit unwiderstehlicher Gewalt nach dem fernen Kreuz; ich nahm alle meine Kraft zusammen und wankte weiter fort, aber nur bis an den Moossitz dicht vor dem Gebüsch konnte ich gelangen; alle Glieder lähmte plötzlich tödliche Ermattung; wie ein schwacher Greis ließ ich langsam mich nieder, und in dumpfem Stöhnen suchte ich die gepreßte Brust zu erleichtern. – Es rauschte im Gange dicht neben mir... Aurelie! Sowie der Gedanke mich durchblitzte, stand sie vor mir! – Tränen inbrünstiger Wehmut quollen aus den Himmelsaugen, aber durch die Tränen funkelte ein zündender Strahl; es war der unbeschreibliche Ausdruck der glühendsten Sehnsucht, der Aurelien fremd schien. Aber so flammte der Liebesblick jenes geheimnisvollen Wesens am Beichtstuhl, das ich oft in süßen Träumen sah. »Können Sie mir jemals verzeihen!« lispelte Aurelie. Da stürzte ich, wahnsinnig vor namenlosem Entzücken, vor ihr hin, ich ergriff ihre Hände! – »Aurelie... Aurelie... für dich Marter! ... Tod!« Ich fühlte mich sanft emporgehoben – Aurelie sank an meine Brust, ich schwelgte in glühenden Küssen. Aufgeschreckt durch ein nahes Geräusch, wand sie sich endlich los aus meinen Armen, ich durfte sie nicht zurückhalten. »Erfüllt ist all mein Sehnen und Hoffen«, sprach sie leise, und in dem Augenblick sah ich die Fürstin den Gang heraufkommen. Ich trat hinein in das Gebüsch und wurde nun gewahr, daß ich wunderlicherweise einen dürren grauen Stamm für ein Kruzifix gehalten.
    Ich fühlte keine Ermattung mehr, Aureliens Küsse durchglühten mich mit neuer Lebenskraft; es war mir, als sei jetzt hell und herrlich das Geheimnis meines Seins aufgegangen. Ach, es war das

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