Werke
Stirnmuskel; der trug den wahren poetischen Sinn im Innern, und ich verdanke ihm nächst mancher herrlichen Erinnerung an eine bessere Zeit meine musikalischen Kenntnisse.
Ich . Wie, Berganza? – Du? – musikalische Kenntnisse? – ich muß lachen!
Berganza . So seid ihr nun! – Gleich ist das Urteil fertig. Weil ihr uns oft mit dem abscheulichsten Kratzen, Pfeifen und Plärren quält, und wir dann vor lauter Angst und Ungeduld heulen, so sprecht ihr uns allen Sinn für die Musik ab, unerachtet ich behaupte, daß gerade mein Geschlecht sehr musikalisch gezogen werden könnte, wenn ich nicht jenen verhaßten Tieren den Vorzug einräumen muß, die die Natur mit einem besondern musikalischen Produktionsvermögen ausgestattet hat, da sie, wie mein edler Herr und Freund oft bemerkte, ihre Liebeslieder in die chromatische Skala auf – und absteigenden Terzen gar zierlich duettieren. – Genug, als ich mich in der benachbarten prächtigen Residenz zu dem Kapellmeister Johannes Kreisler begeben hatte, profitierte ich in der Musik sehr. – Wenn er auf seinem schönen Flügel phantasierte und in gar wunderbaren Verschlingungen prächtiger Akkorde das innerste Heiligtum der geheimnisvollsten Kunst aufschloß, da legte ich mich vor ihm hin und horchte, ihm scharf ins Auge blickend, zu, bis er geendet hatte. Dann warf er sich in den Stuhl zurück, und groß wie ich bin, sprang ich zu ihm hinauf, meine Pfoten auf seine Schultern legend, indem ich nicht unterließ, auf jene Art, von der wir vorhin sprachen, eifrigst meinen Beifall, meine Freude zu bezeugen. Da umarmte er mich dann, und sprach: »Ha, Benfatto!« (so nannte er mich zum Andenken unseres Zusammentreffens) »du hast mich verstanden! du treuer, verständiger Hund; sollt’ ich es denn nicht aufgeben, jemand anderm vorzuspielen als dir? – du sollst mich nicht verlassen.«
Ich . Also Benfatto nannte er dich?
Berganza . Ich traf ihn zuerst in dem schönen Parke vor dem ...r Tor; er schien komponiert zu haben, denn er saß mit einem Notenblatt und einem Bleistift in der Hand in der Laube. In dem Augenblick, als er, vor Begeisterung glühend, aufsprang und laut rief: »Ah! – ben fatto!« fand ich mich zu ihm und schmiegte mich ihm nach der bekannten Weise an, die schon der Fähnrich Campuzano erzählt hat. – Ach! warum konnte ich nicht bei dem Kapellmeister bleiben! – ich hatte die schönsten Tage – allein –
Ich . Halt, Berganza! – ich erinnere mich von dem Johannes Kreisler sprechen gehört zu haben, indessen es hieß – nimm’s nicht übel! – er habe schon sein ganzes Leben hindurch zu Zeiten etwas weniges übergeschnappt, bis dann endlich der helle Wahnsinn ausgebrochen sei, worauf man ihn in die bekannte hier ganz nahe gelegene Irrenanstalt bringen wollen; er sei indessen entsprungen. –
Berganza . Ist er entsprungen, so geleite Gott seine Schritte. – Ja, mein Freund, den Johannes haben sie erschlagen und begraben wollen, und als er im Gefühl der göttlichen Übermacht, die ihm der Geist verliehen, sich frei regen und bewegen wollte, da mußte er wahnsinnig sein.
Ich . Und war er es denn nicht?
Berganza . O sei so gut, nenne mir doch den, der als Prototypus der Menschheit überhaupt zum Verstandesmesser aufgestellt werden und dann nach der Thermometerskala seines Kopfes genau bestimmen soll, auf welchem Grad der Verstand des Patienten, oder ob er vielleicht gar über oder unter der ganzen Skala steht! – In gewissem Sinn ist jeder nur irgend exzentrische Kopf wahnsinnig und scheint es desto mehr zu sein, je eifriger er sich bemüht, das äußere matte, tote Leben durch seine inneren glühenden Erscheinungen zu entzünden. Jeden, der einer großen heiligen Idee, die nur der höheren göttlichen Natur eigen, Glück, Wohlstand, ja selbst das Leben opfert, schilt gewiß der , dessen höchste Bemühungen im Leben sich endlich dahin konzentrieren, besser zu essen und zu trinken und keine Schulden zu haben, wahnsinnig, und er erhebt ihn vielleicht, indem er ihn zu schelten glaubt, da er als ein höchst verständiger Mensch jeder Gemeinschaft mit ihm entsagt. – So sprach oft mein Herr und Freund Johannes Kreisler. – Ach, er mochte etwas Großes erfahren haben, das merkte ich an seinem ganz veränderten Betragen. Eine innere Wut brach oft plötzlich in lichten Flammen auf, und ich erinnere mich, daß er einmal sogar mit einem Prügel nach mir werfen wollte, es tat ihm aber gleich leid, und er bat es mir mit Tränen ab. – Was die Ursache
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