Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
gebe, zuletzt von dem Baron Brambäus usw. usw. Kurz, Herr Goljadkin war völlig zufrieden, erstens weil er ganz beruhigt war, zweitens weil er seine Feinde nicht nur nicht mehr fürchtete, sondern sogar bereit war, sie jetzt alle zum Entscheidungskampfe herauszufordern, drittens weil er jetzt selbst in eigener Person jemandes Protektor geworden war, und schließlich weil er ein gutes Werk tat. Er war sich übrigens innerlich bewußt, daß er in diesem Augenblicke noch nicht ganz glücklich war, daß in ihm noch ein Wurm saß, wenn auch nur ein ganz kleiner, der auch jetzt noch sein Herz quälte. Die Erinnerung an den gestrigen Abend bei Olsufi Iwanowitsch war ihm äußerst peinlich. Er hätte jetzt viel darum gegeben, wenn manches von dem, was gestern geschehen war, nicht geschehen wäre. »Indessen es hat ja nicht viel zu bedeuten!« sagte unser Held sich schließlich und nahm sich im stillen fest vor, sich künftig gut zu führen und ähnliche Fehler nicht wieder zu begehen. Da Herr Goljadkin jetzt sehr gut gelaunt war und sich auf einmal fast völlig glücklich fühlte, so kam er sogar auf den Einfall, das Leben zu genießen. Petruschka mußte Rum bringen, und es wurde ein Punsch gebraut. Gast und Wirt leerten jeder ein Glas und ein zweites. Der Gast benahm sich noch liebenswürdiger als vorher und gab viele Beweise seiner Aufrichtigkeit und seines trefflichen Charakters; er ging kräftig auf Herrn Goljadkins vergnügte Stimmung ein, schien sich nur über dessen Freude zu freuen und blickte ihn wie seinen wahren und einzigen Wohltäter an. Eine Feder und ein Blättchen Papier ergreifend, bat er Herrn Goljadkin nicht zuzusehen, was er schreiben werde, und zeigte dann, als er fertig war, selbst seinem Wirte alles, was er geschrieben hatte. Es ergab sich, daß es eine vierzeilige Strophe war, von sehr gefühlvollem Inhalt, in schönem Stil und mit guter Handschrift geschrieben und augenscheinlich von dem liebenswürdigen Gaste selbst verfaßt. Die Verse lauteten:
»Solltest je du mein vergessen,
Niemals doch vergeß ich dein;
Viel begibt sich wohl im Leben,
Doch vergiß auch du nicht mein!«
Mit Tränen in den Augen umarmte Herr Goljadkin seinen Gast, und nachdem er seinen Gefühlen völlig freien Lauf gelassen hatte, weihte er selbst seinen Gast in mehrere seiner Geheimnisse ein, wobei Andrei Filippowitsch und Klara Olsufjewna die Hauptthemata waren. »Na, du und ich, wir passen zusammen, Jakow Petrowitsch,« sagte unser Held zu seinem Gaste; »wir beide, Jakow Petrowitsch, wollen leben wie die Fische im Wasser, wie zwei leibliche Brüder; wir wollen List anwenden, Freundchen, wollen zusammen List anwenden; wir wollen unsererseits eine Intrige gegen sie einfädeln ... gegen sie eine Intrige einfädeln. Aber von denen vertraue du dich niemandem an! Ich kenne dich ja, Jakow Petrowitsch, und verstehe deinen Charakter; du erzählst einem gleich alles; du bist eine redliche Seele! Halte dich von denen allen fern, Bruder!« Der Gast war damit völlig einverstanden, dankte Herrn Goljadkin und vergoß zuletzt ebenfalls Tränen. »Weißt du was, lieber Jakow,« sagte Herr Goljadkin mit leiser, zitternder Stimme, »zieh für einige Zeit zu mir, oder auch für immer! Wir passen zusammen. Wie denkst du darüber, Bruder? Rege dich nicht darüber auf und murre nicht darüber, daß zwischen uns jetzt ein so sonderbares Verhältnis besteht; zu murren ist Sünde, Bruder; die Natur hat es so gewollt. Und Mutter Natur ist freigebig; ja, so ist es, Bruder Jakow! Ich sage das, weil ich dich liebe, dich brüderlich liebe. Aber wir beide, lieber Jakow, wollen mit List verfahren und unsererseits Minen anlegen und es ihnen gehörig besorgen.« Von dem Punsche waren schließlich drei, ja vier Gläser auf jeden der beiden gekommen, und nun wurde sich Herr Goljadkin zweier Empfindungen bewußt: der einen, daß er außerordentlich glücklich sei, und der andern, daß er nicht mehr auf den Beinen stehen könne. Der Gast wurde selbstverständlich eingeladen, dort zu übernachten. Ein Bett wurde, so gut es ging, aus zwei Reihen von Stühlen zusammengestellt. Herr Goljadkin der jüngere sprach den Gedanken aus, daß man unter einem befreundeten Dache selbst auf dem nackten Fußboden sanft schlafe; er jedenfalls werde, wo es sich auch träfe, mit Ergebenheit und Dankbarkeit schlafen; jetzt fühle er sich wie im Paradiese; er schloß mit der Bemerkung, er habe in seinem Leben viel Unglück und Leid zu ertragen gehabt; alles habe er ruhig
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