Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
der Wohnung und der Beköstigung zur Hälfte tragen und das Geld im voraus zahlen müssen‹; Hm! nein, hol's der Teufel, nein! Das würde meine Ehre beflecken. Das ist nicht recht zartfühlend! Vielleicht könnte ich es so machen: ich könnte Petruschka instruieren, daß er ihn irgendwie ärgern, ihn nachlässig und grob behandeln solle, und ihn mir auf diese Art vom Halse schaffen? Ich müßte sie so zusammenhetzen ... Nein, hol's der Teufel, nein! Das ist gefährlich, und ferner, wenn man es aus einem andern Gesichtspunkte betrachtet ... es ist ganz und gar nicht schön! Ganz und gar nicht schön! Aber wenn er nun nicht wieder herkommt? Auch das wäre übel! Ich habe ihm gestern abend gar zu viel ausgeschwatzt!... Ach, schlimm, schlimm! Ach, wie schlimm steht meine Sache! Ach, ich Dummkopf, ich verdammter Dummkopf! Kannst du nicht lernen, wie du dich benehmen mußt? Kannst du nicht endlich zur Vernunft kommen? Na, wenn er nun aber herkommt und absagt? Ach, gebe Gott, daß er käme! Ich würde sehr froh sein, wenn er käme ...« So überlegte Herr Goljadkin, während er seinen Tee trank und fortwährend nach der Wanduhr blickte. »Jetzt ist es drei Viertel auf neun; nun ist es Zeit zu gehen. Aber was wird nun geschehen? Was wird mir passieren? Ich möchte gern wissen, was sich da eigentlich Besonderes hinter dem Vorhang verbirgt, was für Absichten und Pläne sie haben, und was für Steine sie mir in den Weg werfen wollen. Es wäre gut, wenn ich erfahren könnte, was für ein Ziel eigentlich diese ganze Bande im Auge hat, und welches der erste Schritt ist, den sie unternehmen wollen ...« Herr Goljadkin konnte es nicht länger aushalten; er warf die noch nicht ausgerauchte Pfeife hin, zog sich an und ging in den Dienst, um womöglich die Gefahr aufzudecken und sich über alles durch seine persönliche Anwesenheit Gewißheit zu verschaffen. Aber Gefahr war vorhanden: das wußte er selbst, daß Gefahr vorhanden war. »Aber auch diese Nuß werden wir schon knacken!« sagte Herr Goljadkin, indem er den Mantel und die Überschuhe im Vorzimmer ablegte; »nun werden wir all diese Dinge sofort durchschauen.« Nachdem er in dieser Weise zu handeln beschlossen hatte, machte unser Held seinen Anzug zurecht, nahm eine wohlanständige Dienstmiene an und wollte eben in das anstoßende Zimmer treten, als plötzlich gerade in der Tür sein Bekannter und Freund von gestern mit ihm zusammenstieß. Herr Goljadkin der jüngere schien Herrn Goljadkin den älteren nicht zu bemerken, obwohl sich beinahe ihre Nasen berührten. Herr Goljadkin der jüngere war, wie es schien, sehr beschäftigt, hatte es eilig, irgendwohin zu kommen, und war außer Atem; er hatte eine solche Amts- und Geschäftsmiene, daß, wie es schien, jeder auf seinem Gesichte lesen konnte: »Mit einem besonderen Auftrage betraut ...«
»Ach, Sie sind es, Jakow Petrowitsch!« sagte unser Held und ergriff seinen gestrigen Gast am Arme.
»Später, später! Entschuldigen Sie mich; sagen Sie mir später, was Sie wünschen!« rief Herr Goljadkin der jüngere, indem er vorwärts strebte.
»Aber erlauben Sie, Jakow Petrowitsch; ich meine, Sie wollten ... hm ...«
»Was gibt's denn? Sagen Sie schneller, was Sie wünschen!«
Hier blieb Herrn Goljadkins gestriger Gast, anscheinend nur ungern und mit großem Widerstreben, stehen und hielt sein Ohr Herrn Goljadkin gerade an die Nase.
»Ich muß Ihnen sagen, Jakow Petrowitsch, daß ich über Ihr Benehmen erstaunt bin ... ein Benehmen, wie ich es ja wohl nicht erwarten konnte.«
»Alles hat seine gewiesene Form. Melden Sie sich bei dem Sekretär Seiner Exzellenz, und wenden Sie sich dann, wie es in der Ordnung ist, an den Herrn Kanzleivorsteher. Haben Sie eine Bittschrift? ...«
»Sie ... ich weiß gar nicht, Jakow Petrowitsch ... Sie setzen mich einfach in Verwunderung, Jakow Petrowitsch! Sie erkennen mich gewiß nicht, oder Sie machen infolge Ihres angeborenen heiteren Temperamentes einen Scherz.«
»Ah, Sie sind es!« erwiderte Herr Goljadkin der jüngere, als wenn er Herrn Goljadkin den älteren eben erst erkannt hätte. »Also Sie sind es? Na also, haben Sie gut geschlafen?«
Hier lächelte Herr Goljadkin der jüngere ein wenig; aber er lächelte in einer amtlichen, förmlichen Manier und durchaus nicht so, wie es sich gehört hätte, da er doch jedenfalls Herrn Goljadkin dem älteren zu Dank verpflichtet war; und nachdem er so in amtlicher, förmlicher Manier gelächelt hatte, fügte er hinzu, er seinerseits freue sich
Weitere Kostenlose Bücher