Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
andern einige familiäre Bemerkungen gemacht hatte, schickte Herr Goljadkin der jüngere, der vermutlich keine überflüssige Zeit zu verschwenden hatte, sich anscheinend schon an, das Zimmer zu verlassen; aber zum Glücke für Herrn Goljadkin den älteren blieb er gerade in der Tür stehen und redete im Vorbeigehen mit zwei oder drei zufällig dort stehenden jungen Beamten. Herr Goljadkin der ältere stürzte geradeswegs auf ihn los. Kaum hatte Herr Goljadkin der jüngere dieses Manöver des älteren Herrn Goljadkin bemerkt, als er sofort in größter Unruhe um sich zu schauen begann, wohin er wohl möglichst schnell verschwinden könne. Aber unser Held hatte seinen Gast vom vorhergehenden Tage schon beim Ärmel gefaßt. Die Beamten, die um die beiden Titularräte herumstanden, traten auseinander und warteten neugierig, was nun kommen werde. Der alte Titularrat wußte sehr genau, daß die allgemeine Meinung nicht auf seiner Seite war; er wußte sehr genau, daß gegen ihn intrigiert wurde; um so mehr mußte er jetzt seinen Platz behaupten. Der entscheidende Augenblick war da.
»Nun?« sagte Herr Goljadkin der jüngere, indem er Herrn Goljadkin den älteren ziemlich dreist ansah.
Herr Goljadkin der ältere konnte kaum atmen.
»Ich weiß nicht, mein Herr,« begann er, »wie ich mir jetzt Ihr sonderbares Benehmen gegen mich erklären soll.«
»Schön! Fahren Sie fort!« Dabei blickte Herr Goljadkin der jüngere rings um sich und blinzelte den Beamten, die um sie herumstanden, zu, wie wenn er ihnen zu verstehen geben wollte, daß jetzt gleich eine Komödie beginnen werde.
»Die Dreistigkeit und Unverschämtheit Ihres Benehmens gegen mich im jetzigen Augenblick dienen noch mehr zu Ihrer Überführung, mein Herr, als alle meine Worte. Hoffen Sie nicht, Ihr Spiel zu gewinnen; Ihr Spiel steht schlecht ...«
»Nun, Jakow Petrowitsch, dann sagen Sie mir doch einmal: wie haben Sie geschlafen?« antwortete Herr Goljadkin der jüngere und blickte Herrn Goljadkin dem älteren dabei gerade in die Augen.
»Sie vergessen sich, mein Herr,« sagte der Titularrat ganz verwirrt; er fühlte kaum noch den Boden unter seinen Füßen. »Ich hoffe, daß Sie Ihren Ton ändern werden ...«
»Mein liebes Seelchen!« versetzte Herr Goljadkin der jüngere, indem er Herrn Goljadkin dem älteren eine ungezogene Grimasse schnitt und ihm auf einmal ganz unerwartet in Form einer Liebkosung mit zwei Fingern an die ziemlich fleischige rechte Backe griff. Unser Held fuhr auf wie eine Feuerflamme ... Kaum bemerkte der Freund des älteren Herrn Goljadkin, daß sein Gegner, an allen Gliedern zitternd, sprachlos vor Entrüstung, rot wie ein Krebs und bis zum äußersten gebracht, nahe daran war, sich zu einem physischen Angriff zu entschließen, als er ihm unverzüglich in der unverschämtesten Weise seinerseits zuvorkam. Nachdem er ihm noch ein paarmal auf die Backe geklopft, ihn noch ein paarmal gekitzelt und so den vor Wut Tollen und Regungslosen noch einige Sekunden lang zu nicht geringer Belustigung der umherstehenden jungen Leute geneckt hatte, versetzte Herr Goljadkin der jüngere mit empörender Unverschämtheit zu guter Letzt Herrn Goljadkin dem älteren einige Stüber auf das dralle Bäuchlein und sagte boshaft lächelnd und mit einer versteckten Anspielung zu ihm: »Was machst du für Streiche, Brüderchen Jakow Petrowitsch, was machst du für Streiche! Du hast mir ja vorgeschlagen, wir beide wollten zusammen intrigieren, Jakow Petrowitsch!« Dann, ehe unser Held noch von dem letzten Angriffe ein wenig hatte zu sich kommen können, nahm Herr Goljadkin der jüngere auf einmal, nachdem er die umherstehenden Zuschauer durch ein leises Lächeln darauf vorbereitet hatte, eine sehr geschäftige, eifrige Dienstmiene an, schlug die Augen zur Erde nieder, krümmte sich zusammen, sagte eilig: »In besonderem Auftrage!«, schlug mit seinem kurzen Beinchen aus und huschte in das anstoßende Zimmer. Unser Held traute seinen Augen nicht und konnte immer noch nicht recht zur Besinnung kommen.
Endlich gelang es ihm, seine Gedanken wieder zu sammeln. Nachdem es ihm in einem Augenblicke zum Bewußtsein gekommen war, daß er zugrunde gerichtet und in gewissem Sinne vernichtet sei, daß er seine Ehre befleckt und seinen Ruf besudelt habe, daß er in Gegenwart fremder Personen verhöhnt und verspottet sei, daß ihn verräterischerweise derjenige beschimpft habe, den er noch gestern für seinen besten, zuverlässigsten Freund gehalten hatte, und daß er sich
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