Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
und küßte meine Hand. „Na, und dann wollte ich mit dir nicht reden, absolut nicht. Und weißt du noch, wie ich Falstaff streichelte?“
„Ach, du furchtlose Heldin!“
„Fei-ge, fei-ge war ich“, erwiderte die Prinzessin gedehnt. „Weißt du wohl, weshalb ich zu ihm heranging?“
„Nun, weshalb?“
„Weil du zusahst. Als ich bemerkte, daß du zusahst, da sagte ich mir: Mag’s werden, wie’s will! und ging hin. Habe ich dir damit einen Schreck eingejagt? Hast du dich um mich geängstigt?“
„Furchtbar.“
„Das habe ich gesehen. Und wie freute ich mich, daß Falstaff wegging! Herr Gott, wie bekam ich es dann nachträglich mit der Angst, als er weggegangen war, dieses Un-ge-heu-er!“
Die Prinzessin brach in ein nervöses Lachen aus; dann hob sie plötzlich ihr heißes Köpfchen in die Höhe und blickte mich unverwandt an. Ein paar Tränchen, wie kleine Perlen, zitterten an ihren langen Wimpern.
„Eigentlich: was ist denn an dir dran, daß ich dich so liebgewonnen habe? Du bist so bläßlich und hast solch mattblondes Haar und solche bläulichen Augen und bist so eine kleine dumme Tränenliese, du meine arme Wai-se!“
Und Katja beugte sich wieder herab und bedeckte mich mit zahllosen Küssen. Mehrere Tränentropfen fielen aus ihren Augen auf meine Backen. Sie war tief gerührt.
„Wie habe ich dich geliebt! Aber ich dachte immer: Nein, nein, ich will es ihr nicht zeigen! Wie eigensinnig ich war! Warum fürchtete und schämte ich mich denn vor dir? Sieh nur, wie wohl wir uns jetzt fühlen!“
„Katja! Es tut mir ordentlich weh!“ sagte ich, ganz sinnlos vor Freude. „Das Herz bricht mir!“
„Ja, Netotschka! Nun höre weiter! ... Aber hör mal, wer hat dir eigentlich den Namen Netotschka gegeben?“
„Meine Mama!“
„Wirst du mir von deiner Mama erzählen?“
„Alles, alles!“ antwortete ich entzückt.
„Aber wo hast du denn meine beiden Taschentücher gelassen, die mit den Spitzen? Und warum hast du mir mein Haarband weggenommen? Du schämst dich wohl gar nicht? Siehst du, ich weiß das alles.“
Ich lachte und errötete so, daß mir die Tränen kamen.
„Nein, dachte ich; ich will sie noch ein bißchen quälen; mag sie noch ein bißchen warten! Und manchmal dachte ich: ich liebe sie ja überhaupt nicht; ich kann sie nicht leiden. Du aber warst immer so sanft, immer so ein gutes Schäfchen! Aber ich fürchtete sehr, daß du von mir denken könntest, ich wäre dumm! Du bist klug, Netotschka; du bist wohl sehr klug, nicht wahr?“
„Aber was redest du da, Katja!“ erwiderte ich, beinah beleidigt.
„Nein, du bist klug“, wiederholte Katja in sehr bestimmtem, ernstem Tone. „Das weiß ich. Aber eines Morgens stand ich auf und hatte dich so liebgewonnen, daß es geradezu schrecklich war! Ich hatte die ganze Nacht von dir geträumt. Da dachte ich: ich will Mama bitten und bei ihr wohnen; ich will sie nicht lieben, nein, ich will es nicht! Und in der Nacht nach der, wo du mich zuerst geküßt hattest, da dachte ich vor dem Einschlafen: wenn sie doch käme, wie in der vorigen Nacht! Und da kamst du wirklich! Ach, wie ich mich verstellte, als ob ich schliefe ... Ach, wir schämen uns aber auch gar nicht, Netotschka!“
„Aber warum wolltest du mich denn durchaus nicht lieben?“
„Einen eigentlichen Grund hatte ich nicht ... Aber was rede ich! Ich habe dich ja immer geliebt! Immer habe ich dich geliebt! Und nachher konnte ich es nicht mehr aushalten, ich dachte: ich will sie einmal ganz zerküssen oder sie totkneifen. Siehst du, so, du kleines dummes Ding!“
Und die Prinzessin kniff mich.
„Denkst du wohl noch daran, wie ich dir das Schuhband zuband?“
„Gewiß.“
„Ich erinnere mich auch daran; hattest du dabei eine angenehme Empfindung? Ich sah dich an und dachte: Allerliebst ist sie; ich werde ihr mal das Schuhband zubinden; was sie dann wohl denken wird! Und mir selbst wurde dabei so wohl! Wirklich, da wollte ich mich mit dir küssen ... aber ich tat es nicht. Und dann wurde mir so lächerlich zumute, so lächerlich! Auf dem ganzen Wege, als wir zusammen spazieren gingen, wollte ich immer loslachen. Ich konnte dich gar nicht ansehen, so lächerlich war mir zumute. Und wie freute ich mich, daß du für mich ins Gefängnis gingst.“ (Das leere Zimmer wurde „das Gefängnis“ genannt.) „Hattest du Angst vor Mama?“
„Ja, furchtbare Angst.“
„Ich freute mich nicht sowohl darüber, daß du die Schuld auf dich genommen hattest, als vielmehr darüber,
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