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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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daß du für mich saßest! Ich dachte: jetzt weint sie gewiß; aber ich, ich liebe sie so sehr! Morgen werde ich sie so küssen, so küssen! Und ich bedauerte dich nicht; wahrhaftig, ich bedauerte dich nicht, wiewohl ich auch ein bißchen weinte.“
    „Aber ich, ich habe nicht geweint; ich habe mich absichtlich gefreut!“
    „Du hast nicht geweint? Ach, du Böse!“ rief die Prinzessin und sog sich an mir mit ihren Lippen fest.
    „Katja, Katja! O Gott, wie nett du bist!“
    „Nicht wahr? Aber jetzt kannst du auch mit mir machen, was du willst! Tyrannisiere mich, kneife mich! Bitte, kneife mich mal! Mein Täubchen, kneife mich doch mal!“
    „Du Strick!“
    „Und was noch?“
    „Du Närrchen...“
    „Was noch?“
    „Nun küsse mich nochmal!“
    Und wir küßten uns und weinten und lachten; die Lippen waren uns ganz angeschwollen vom Küssen.
    „Netotschka! Erstens sollst du künftig immer zu mir kommen und bei mir schlafen. Küßt du gern? Dann wollen wir uns recht viel küssen. Und zweitens will ich nicht, daß du so traurig bist. Warum bist du so traurig? Du wirst es mir erzählen, nicht wahr?“
    „Alles werde ich dir erzählen; aber jetzt bin ich nicht traurig, sondern fröhlich!“
    „Dann wirst du auch bald so rote Backen bekommen wie ich! Aber wenn doch recht bald morgen wäre! Bist du müde, Netotschka?“
    „Nein.“
    „Nun, dann wollen wir noch weiter reden.“
    Und so plauderten wir noch etwa zwei Stunden. Gott weiß, was wir alles miteinander redeten. Erstens teilte mir die Prinzessin alle ihre Pläne für die Zukunft, sowie auch den jetzigen Stand der Dinge mit. Da erfuhr ich denn, daß sie ihren Papa mehr liebe als sonst jemanden, beinahe noch mehr als mich. Dann einigten wir uns darüber, daß Madame Léotard eine prächtige Frau und keineswegs streng sei. Ferner überlegten wir gleich jetzt, was wir morgen und übermorgen machen wollten, und trafen überhaupt schon auf zwanzig Jahre im voraus die Dispositionen für unser Leben. Katja hatte den Einfall, wir wollten folgendermaßen leben: an dem einen Tage werde sie mir befehlen, und ich müsse alles ausfuhren; und am andern Tage sollte es umgekehrt sein; da sollte ich befehlen, und sie werde widerspruchslos gehorchen. Und dann wieder sollten wir beide als Gleichberechtigte einander Befehle erteilen, und da sollte dann irgendeiner von uns absichtlich nicht gehorchen, und wir wollten uns zuerst miteinander streiten, aber nur so obenhin, nur so zum Schein, und uns dann schnell wieder miteinander versöhnen. Kurz, ein endloses Glück wartete unser. Endlich wurden wir des Plauderns doch müde, und mir fielen die Augen zu. Katja lachte über mich, daß ich eine solche Schlafratte sei, schlief aber selbst früher ein als ich. Am Morgen wachten wir zugleich auf, küßten uns schnell, weil jeden Augenblick jemand zu uns hereinkommen konnte, und ich lief noch rasch vorher nach meinem Bette.
    Den ganzen Tag über wußten wir nicht, was wir miteinander vor Freude anfangen sollten. Wir versteckten uns fortwährend und liefen von den andern weg, da wir fremde Augen über alles fürchteten. Endlich begann ich, meine Geschichte zu erzählen. Katja war über meinen Bericht tief erschüttert.
    „Du böses, böses Mädchen! Warum hast du mir das alles nicht früher gesagt? Ich hätte dich so geliebt, so geliebt! Tat es dir denn weh, wenn dich die Jungen auf der Straße schlugen?“
    „O ja, es tat weh. Ich hatte große Furcht vor ihnen!“
    „O die bösen Buben! Weißt du, Netotschka, ich habe einmal selbst gesehen, wie ein Junge einen andern auf der Straße schlug. Morgen werde ich heimlich Falstaffs Peitsche mitnehmen, und wenn uns dann so einer vorkommt, dann werde ich ihn gehörig hauen, aber ganz gehörig!“
    Ihre Augen blitzten nur so vor Empörung.
    Wir erschraken, wenn jemand hereinkam. Wir fürchteten, beim Küssen ertappt zu werden; und wir küßten uns an diesem Tage wenigstens hundertmal. So verging dieser Tag und der folgende. Ich fürchtete vor Wonne zu sterben und konnte kaum atmen vor Glückseligkeit. Aber diese unsere Glückseligkeit dauerte nicht lange.
    Madame Léotard mußte über alles, was die Prinzessin tat, Meldung machen. Sie beobachtete uns ganze drei Tage lang, und in diesen drei Tagen sammelte sich bei ihr viel Stoff zur Berichterstattung an. Endlich ging sie zur Fürstin und teilte ihr alles mit, was sie bemerkt hatte: daß wir beide uns in einer Art von Verzückung befanden, uns schon seit drei Tagen nicht voneinander

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