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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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küßte mir das Gesicht, die Augen, die Lippen, den Hals, die Hände; sie schluchzte krampfhaft; ich drückte sie fest an mich, und wir hielten uns freudig und wonnig umschlungen wie zwei Freunde, wie zwei Verliebte, die einander nach langer Trennung wiedersehen. Katjas Herz pochte so heftig, daß ich jeden Schlag desselben hörte.
    Aber im anstoßenden Zimmer ertönte eine Stimme. Katja wurde zur Fürstin gerufen.
    „Ach, Netotschka! Nun, also auf Wiedersehen heute abend, zur Nacht! Geh jetzt nach oben und warte auf mich!“
    Sie küßte mich zum letzten Male, leise und unhörbar, aber innig, und verließ mich dann, um dem Rufe Nastjas zu folgen. Ich lief, wie von neuem Leben erfüllt, nach oben, warf mich auf das Sofa, verbarg meinen Kopf in den Kissen und schluchzte vor Entzücken. Mein Herz pochte so heftig, als wollte es mir die Brust zersprengen. Ich erinnere mich nicht, wie ich die Zeit bis zur Nacht verbrachte. Endlich schlug es elf, und ich legte mich schlafen. Die Prinzessin kam erst um Mitternacht zurück; sie lächelte mir von weitem zu, sagte aber kein Wort. Nastja begann, sie auszukleiden, wie es der Prinzessin vorkam, mit besonderer Langsamkeit.
    „Schneller, schneller, Nastja!“ murmelte Katja.
    „Was ist Ihnen denn, Prinzessin? Gewiß sind Sie zu schnell die Treppe heraufgelaufen, daß Ihnen das Herz so klopft?“ fragte Nastja.
    „Ach, mein Gott, Nastja! Wie langweilig du bist! Schneller, schneller!“ Die Prinzessin stampfte ärgerlich mit dem Füßchen auf den Boden.
    „O, was für ein süßes Kind!“ sagte Nastja und küßte den Fuß der Prinzessin, von dem sie den Strumpf abgezogen hatte.
    Endlich war alles fertig; die Prinzessin legte sich hin, und Nastja verließ das Zimmer. Im nächsten Augenblicke sprang Katja aus dem Bette und lief zu mir. Ich empfing sie mit einem frohen Aufschrei.
    „Komm zu mir, lege dich zu mir!“ sagte sie und versuchte, mich aus dem Bette zu heben. Im Nu war ich in ihrem Bette; wir umarmten uns und schmiegten uns innig aneinander. Die Prinzessin küßte mich halb tot.
    „Ich weiß ja doch, wie du mich in der Nacht geküßt hast!“ sagte sie und wurde dabei rot wie eine Mohnblume.
    Ich schluchzte.
    „Netotschka!“ flüsterte Katja unter Tränen. „Du mein guter Engel, ich liebe dich ja schon so lange, so lange! Weißt du, seit wann?“
    „Nun?“
    „Seit Papa mir befahl, dich um Verzeihung zu bitten, als du deinen Papa verteidigt hattest, Netotschka ... Du meine arme Wai-se!“ sagte sie gedehnt und bedeckte mich von neuem mit Küssen. Sie weinte und lachte zu gleicher Zeit.
    „Ach, Katja!“
    „Nun, was denn, was denn?“
    „Warum haben wir so lange ... so lange...“ Ich brachte den Satz nicht zu Ende. Wir umarmten uns und sprachen etwa drei Minuten lang kein Wort.
    „Hör mal, was hast du denn eigentlich von mir gedacht?“ fragte die Prinzessin.
    „Ach, wieviel habe ich an dich gedacht, Katja! Immer habe ich an dich gedacht, Tag und Nacht.“
    „Und in der Nacht hast du von mir gesprochen; ich habe es gehört.“
    „Wirklich?“
    „Und wie oft hast du geweint!“
    „Siehst du wohl! Warum warst du aber auch immer so stolz?“
    „Ich war eben dumm, Netotschka. Das überkommt mich manchmal so; das ist nun einmal nicht anders. Und immer war ich auf dich böse.“
    „Warum denn?“
    „Weil ich selbst schlecht war. Zuerst war ich dir deshalb böse, weil du besser bist als ich; dann deshalb, weil Papa dich mehr liebt! Und Papa ist ein guter Mensch, Netotschka, nicht wahr?“
    „Ach ja!“ antwortete ich mit Tränen der Rührung bei dem Gedanken an den Fürsten.
    „Ein braver Mann“, sagte Katja ernsthaft. „Aber was soll ich mit ihm anfangen? Er ist immer so eigen ... Nun, und dann bat ich dich um Verzeihung und fing beinah an zu weinen, und deshalb war ich wieder auf dich böse.“
    „Das habe ich gesehen, das habe ich gesehen, daß dir das Weinen nahe war.“
    „Na, du sei nur ganz still, du Närrchen; du bist ja selbst so eine Heulliese!“ schalt mich Katja und hielt mir mit der Hand den Mund zu. „Hör mal, ich hatte die größte Lust, dich zu lieben; und dann auf einmal wollte ich dich hassen und haßte dich so furchtbar, so furchtbar!...“
    „Weswegen denn?“
    „Nun, weil ich auf dich ärgerlich war. Ich weiß nicht, weswegen! Aber dann sah ich, daß du ohne mich gar nicht leben konntest, und da dachte ich: ich will das abscheuliche Mädchen noch ein bißchen quälen!“
    „Ach, Katja!“
    „Du mein Herzchen!“ sagte Katja

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