Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
1846–47 hatte auch Leutnant N. Mombelli solche Zusammenkünfte eingeführt, Kaschkin seit Ende 1848, Duroff aber erst seit dem März 1849. Briefe von Dostojewski aus dieser wichtigsten Zeit, von 1846–49, haben sich nicht erhalten, d. h. es ist sehr möglich, daß sie mit Absicht vernichtet worden sind. Wie mir N. Mombelli mündlich mitteilte, hatte man bei Petraschewski nach und nach das Verfahren eingeführt, daß die Debatten über die Referate (u. a. über den Atheismus, über die Bauernreform und ähnliche) von einem Präsidenten geleitet wurden.
Nun sollte man meinen, daß all dies schon längst die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich hätte lenken müssen – besonders in jener Zeit. Die Verzögerung lag aber zum Teil daran, daß die Polizei ein ganzes Jahr lang vergeblich einen passenden Spion suchte, d.h. einen, der, wie der Chef der Geheimpolizei Liprandi schreibt, »nicht nur auf der Bildungsstufe der versammelten Gesellschaft stand, sondern auch über das Vorurteil erhaben war, das in dem Ruf eines Angebers so ungerechterweise ... einen Schandfleck sieht. Solche Agenten findet man nicht für Geld«. Schließlich aber fand man doch so einen »über das Vorurteil Erhabenen« in dem Sohn eines Künstlers, Antonelli, der die Petersburger Universität besucht hatte und, gleich Petraschewski, eine Anstellung im Auswärtigen Amt hatte. Dieser Antonelli erschien nun vom 11. März bis 15. April jeden Freitag bei Petraschewski. Wie Dostojewski später erzählte, hätten sie alle, als Antonelli zum ersten Male auftauchte, sofort gewußt, daß es ein Spion sei, und dies auch Petraschewski gesagt; und als Antonelli sie zu sich einlud, habe niemand der Einladung Folge geleistet.
Allem Anscheine nach hat ein am 7. April zu Ehren Fouriers veranstaltetes Diner den letzten Anlaß zur Verhaftung der Petraschewzen gegeben. Dostojewski hat an diesem Diner nicht teilgenommen.
Wie er verhaftet wurde, erzählt er später – 1860, bereits nach seiner Rückkehr aus Sibirien – nicht ohne einen gewissen Humor. Er hat diesen Bericht der Tochter seines Freundes A. P. Miljukoff ins Album geschrieben:
»Am 22., oder richtiger gesagt, am 23. April (1849) kam ich gegen halb vier Uhr morgens von Grigorjeff nach Hause, legte mich zu Bett und schlief sofort ein. Nicht später als nach ungefähr einer Stunde merkte ich, noch im Schlaf, daß in mein Zimmer irgendwelche verdächtige und jedenfalls ungewöhnliche Besucher eingedrungen waren. Es klirrte plötzlich ein Säbel, der an irgend etwas anstieß. Sonderbar! Was hatte das zu bedeuten? Mit Anstrengung schlage ich die Augen auf und höre eine weiche, freundliche Stimme: »Stehen Sie auf!« – Ich sehe: ein Polizeioffizier? ein Pristaw – jedenfalls ein Polizeimensch mit einem hübschen Backenbart. Doch nicht er hatte gesprochen: gesprochen hatte ein Herr in hellblauer Uniform mit Oberstleutnants-Epauletten.
»Was ist geschehen?« fragte ich, mich aufrichtend.
»Auf Befehl«... – Ich sehe: Tatsächlich »auf Befehl«. In der Tür stand ein Soldat, gleichfalls in Hellblau. Sein Säbel war es, der geklirrt hatte.
»Aha! also das ist es«, dachte ich...
»Ja erlauben Sie mir ...« begann ich.
»Macht nichts, macht nichts! kleiden Sie sich nur an. Wir warten so lange,« fügte der Oberstleutnant mit noch freundlicherer Stimme hinzu. – Während ich mich also ankleidete, verlangten sie von mir meine Bücher und begannen zu suchen; – sie fanden nicht viel, aber sie durchwühlten alles. Die Papiere und Briefe banden sie sorgfältig mit einem Schnürchen zusammen. Der Pristaw legte hierbei viel Umsicht an den Tag; er steckte die Nase in meinen Ofen und scharrte mit meinem Pfeifenrohr in der alten Asche herum. Der Gendarmerieunteroffizier stieg auf seinen Wunsch auf einen Stuhl und versuchte, auf den Ofen zu klettern, glitt aber vom Gesimse ab, fiel mit einem Krach auf den Stuhl und dann mit dem Stuhl auf den Fußboden. Da waren denn die scharfsinnigen Herren überzeugt, daß sich auf dem Ofen nichts befand. Aber auf dem Tisch lag ein Fünfkopekenstück, ein altes, verbogenes. Der Pristaw betrachtete es aufmerksam und gab dem Oberstleutnant mit einer Kopfbewegung einen Wink.
»Ist's am Ende eine falsche Münze?« fragte ich.
»Hm... Das muß man noch untersuchen«.... brummte der Pristaw und erledigte die Frage zunächst damit, daß er auch die Münze den anderen beschlagnahmten Sachen hinzufügte.
Wir traten hinaus. Uns begleiteten die erschreckte Hausfrau und ihr Diener
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