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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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müßten.
    Auch die früheren Verschwörer hatten ein »Vorstadium« im Auge gehabt – zunächst eine vollkommene Änderung der Regierungsform. Nicht grundlos hat Dostojewski gesagt: »Die Idee der Dekabristen war, die Autokratie zu beschränken: Lords zu werden. Sie wollten« – das erkennt er an – »die Bauern befreien, aber ohne Zuteilung von Land«. Und natürlich wäre es auch so gekommen, wenn sie ihr »Vorstadium« erreicht hätten.
    Zur Kennzeichnung des Unterschiedes der Stellungnahme Petraschewskis sei hier angeführt, wie in dem von ihm (unter dem Pseudonym Kirilloff) herausgegebenen Fremdwörterbuch das Wort »Konstitution« erklärt ist, – wobei dahingestellt bleiben muß, ob die Erklärung von ihm selbst oder von seinem Mitarbeiter, dem verstorbenen Walerian Maikoff, verfaßt wurde:
    » Konstitution : diese Regierungsform war in den westlichen Staaten die Folge einer starken Ständeentwicklung ... Ihre Anhänger behaupten, sie gründe sich auf das Recht jedes einzelnen Mitgliedes der Gesellschaft, an der Verwaltung jenes Ganzen, wovon er ein Teil ist, mitbeteiligt zu sein; doch in der Praxis ist dieser Grundsatz in großen Staaten nicht zu verwirklichen. Überall zwingt die Notwendigkeit, die Zahl der Personen zu begrenzen, die das Recht haben, einen Abgeordneten einer Provinz oder eines Standes zu wählen. Da aber das einzige Maß, an das man sich überall hält, die Größe des Besitzes des Staatsbürgers ist, so ist diese gepriesene Regierungsform in der Praxis nichts anderes als eine Aristokratie des Reichtums ... Die Anhänger der Konstitution vergessen, daß der Charakter des Menschen nicht im Besitz , sondern in der Persönlichkeit enthalten ist, und daß sie, indem sie die politische Macht der Reichen über die Armen anerkennen, damit die größte Despotie verteidigen. 200 000 Reiche, die 33 Millionen Unbemittelte und Arme regieren, ist dasselbe wie die Kaste der atheniensischen oder römischen Bürger, die in Luxus und Wohlleben schwelgten, indem sie die Persönlichkeit von Millionen von Menschen niedertraten.«
    Merkwürdigerweise findet sich eine Art »Vorstadium« auch bei dem Gegner der Dekabristen, Karamsin: für ihn lag es in der Volksbildung und ging zurück auf Rousseaus »Zuerst muß man die Seelen befreien, dann die Leiber«. So haben denn bei uns die Anhänger verschiedener Richtungen die Notwendigkeit eines sogenannten »Vorstadiums« anerkannt.
    Doch daran dachten die »Durowzy«, zu denen auch Dostojewski gehörte, ganz und gar nicht, wie es auch die Folgerichtigen der »Fourieristen« nicht taten, und wie daran im XVIII. Jahrhundert auch Radischtscheff nicht gedacht hat (deshalb hat sich wohl auch unsere junkerlich-bürokratische Opposition an ihm, dem schon längst Verstorbenen, gerächt, indem sie in einer Zeit, als die Bauern bereits befreit waren, seine Werke offiziell verbrannte).
    Ich erwähne das alles, weil ich es für notwendig halte, den Standpunkt Dostojewskis sowie vieler anderer unter den »Petraschewzen« von dem Standpunkt desjenigen Mannes abzusondern, der dem ganzen Prozeß den Namen gegeben hat: Petraschewskis selbst. Dostojewski hatte alle Ursache zu sagen, der Inhalt des in Leipzig erschienenen kleinen Buches »Über die Propagandagesellschaft« sei zwar »richtig, aber nicht vollständig. Ich sehe da nicht meine Rolle...« »Viele Umstände,« fügt er hinzu, »sind der Darstellung vollständig entglitten; die ganze Verschwörung ist in dieser Darstellung verschwunden.«
    In der Tat, wenn es in dem Bericht der Geheimpolizei heißt, daß es sich »hierbei weniger um eine kleine, abgesonderte Verschwörung handle, als um den allumfassenden Plan einer allgemeinen Bewegung des Umsturzes und der Zerstörung«, so geht doch aus der Sache selbst hervor, daß eine Verschwörung eigentlich gar nicht vorhanden war, und zwar »infolge der Verschiedenheit der Anschauungen der Beteiligten«. Petraschewski leitete sie gewissermaßen an. Gleichwohl war er vielen von ihnen recht unsympathisch. In der Erinnerung Dostojewskis hat sich aber augenscheinlich die Empfindung erhalten, daß in der Absicht eine Verschwörung bereits bestand – will sagen bevorstand, d. h. in der Zukunft sicher war. Sie ging allem Anscheine nach aus der allgemeinen Unzufriedenheit hervor, und diese Unzufriedenheit war schließlich das Hauptbindemittel zwischen den einzelnen Vertretern der »Propagandagesellschaft«, wie die ganze Bewegung in dem Leipziger Büchlein sehr richtig benannt worden

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