Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
das Theater, auch die Literatur (!!).« Ja, es ist möglich, daß Pleschtschejeff gerade deshalb, weil er um das Vorhandensein gewisser slawophiler Keime in Dostojewski wußte, sich beeilte, ihm aus Moskau eine Abschrift des berühmten Briefes von Bjelinski an Gogol zu senden. In diesem Brief Bjelinskis an den religiös gewordenen Gogol sah man damals geradezu ein Manifest des siegenden Westlertums.
Dostojewski, der mit sehr vielem in Gogols Briefen ebensowenig zufrieden war, wie die bekannten Slawophilen, und der ihre Unzufriedenheit mit den Anschauungen Gogols über die Leibeigenschaft vollkommen teilte, las diesen Brief Bjelinskis bei Petraschewski mit ganzer Sympathie vor: und eben dies wurde nun zu einem der Hauptpunkte der Anklage gegen ihn (in den Akten wird dieser Brief bezeichnet, als »ein Schreiben voll von frechen Ausdrücken gegen die rechtgläubige Kirche und die oberste Macht«).
An dem betreffenden Abende war auch I. L. Jastrshemski anwesend und hörte Dostojewski zum ersten Male vorlesen. Er erinnert sich lebhaft des starken Eindrucks, den die angenehme Stimme Dostojewskis auf ihn machte. »Er war ein Meister im Vorlesen« bezeugt er. »Doch diese Vorlesung war der Grund, weshalb Dostojewski verurteilt wurde, und auch ich, weil ich zu den in dem Briefe ausgesprochenen Gedanken Beifall und Zustimmung geäußert und sogar mit dem Kopfe genickt hatte. «
Dostojewski hat selbst noch auf eine andere gegen ihn erhobene Anklage hingewiesen, auf die aber in dem Material, das von der Untersuchungskommission veröffentlicht worden ist, keine Hinweise zu finden sind.
»Ich bin unter anderem auch dafür verurteilt worden, daß ich gesagt hatte, Rußland diene der Politik Metternichs.« Dieser Ausspruch wird zweifellos gleichfalls mit seinen frühen slawophilen Neigungen in Verbindung gestanden haben.
Wenn aus den Akten überhaupt nicht zu ersehen ist, daß die in ihnen erwähnte Verschiedenheit in den Anschauungen der Petraschewzen zum Teil auf den Unterschied zwischen zwei Typen hinauslief – auf die Westler einerseits und die Selbständigen oder Slawophilen andererseits –, auf Typen, die sich damals schon in ihren Anfängen zu unterscheiden begannen, so ist man sich über ihre religiösen Anschauungen noch weniger klar gewesen: in der Beziehung sind alle übereinstimmend als nicht religiös oder sogar als antireligiös dargestellt. In Wirklichkeit war nur Petraschewski ein Atheist. Wenn man den Akten folgen will, so hätten Toll, Achscharumoff u. a. sich »feuerbachisch« zur Religion verhalten. Dagegen wissen wir, daß z. B. Duroff und Dostojewski unbedingt religiös waren, ersterer nach Dostojewskis Worten sogar »bis zur Lächerlichkeit«. Derselbe Duroff soll, nach Dostojewski, »klug, doch nach einer Seite hin auch gutmütig« gewesen sein, nach Jastrshemski: »von großer Zartheit, sowohl seelisch wie physisch, dabei in Pflege und Verzärtelung aufgewachsen«. Das alles erinnert natürlich wenig an einen Verschwörer. Dagegen bemerkt ein Bekannter Speschnjoffs, daß nach dem Äußeren der echte Typ des Verschwörers in Dostojewski zu sehen gewesen sei: er war schweigsam, sprach mit Vorliebe unter vier Augen und war eher verschlossen als aufrichtig. Zudem wirkte er – nach Speschnjoff – niemals eigentlich jung, da er krank aussah (dabei war er damals erst 27 Jahre alt). Ähnlich schildert ihn auch Jastrshemski: »er war still, bescheiden, anscheinend ein sehr angenehmer und liebenswerter junger Mann. Seinem Gesicht sah man Kränklichkeit an. Er sprach wenig und immer leise.« Wir alle sahen in ihm einen weichen, nervösen Menschen, fähig der zartesten Empfindungen. In vertraulichem Gespräch konnte man in ihm stets den Verfasser der ›Njetotschka Neswanowa‹ erkennen. Doch dieser selbe stille und bescheidene Mensch war imstande, wie Desbut sagt, seinen Reden ein erschütterndes Pathos zu geben.
Seit wann waren denn nun diese »Verschwörer« bei uns aufgekommen, oder wie Dostojewski sie in seinen »Hellen Nächten« nennt, diese »Träumer«?
Wenn man den Angaben der Geheimpolizei folgen will, so hat es die »Propagandagesellschaft« bereits im Jahre 1842 gegeben. Doch die Aussagen im Prozeß bezeugen übereinstimmend, daß man erst Ende des Jahres 1845 bei Petraschewski zusammenkam. Dostojewski hat diese Abende drei Jahre lang, also seit dem Winter 1846 besucht, wenn auch nur ziemlich selten. Somit gehörte er zu den älteren Besuchern, da die meisten erst seit 1848 kamen. Im Winter
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