Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
bestand, oder wie irgend so ein Ding, das als Briefbeschwerer auf den Schreibtisch zu stellen ist, allerdings von guten siebzig Faden Höhe. »Wenig Imposantes«, urteilte ich, ganz wie in der alten Zeit unsere Großväter über Puschkin zu urteilen pflegten: »Er schreibt zu leicht, hat zu wenig Erhabenes«. Ich vermute, daß mein erstes Urteil unter dem Einfluß zweier Umstände so ungünstig ausfiel: der erste Umstand war – das Eau de Cologne. Johann Maria Farina befindet sich nämlich in der nächsten Nähe des Domes, und in welch einem Hotel Sie auch absteigen, in welch einer Stimmung Sie auch sind, wie sehr Sie sich vor Ihren Feinden im allgemeinen und vor Johann Maria Farina im besonderen verstecken möchten, seine Vertreter werden Sie doch unfehlbar auffinden, und dann heißt es einfach: » Eau de Cologne ou la vie !« – eins von beidem, eine andere Wahl gibt es nicht. Ich kann zwar nicht gerade schwören, daß die Leute einem wirklich mit buchstäblich diesen Worten auf den Leib rücken, aber schließlich – wer weiß? – vielleicht geschieht es doch mit diesen Worten. Jedenfalls glaubte ich die ganze Zeit, diese Worte zu hören. Und der zweite Umstand, der mich erboste und ungerecht machte, war die neue Kölner Brücke. Die Brücke ist natürlich vorzüglich und die Stadt ist mit Recht stolz auf sie, aber mir schien doch, daß sie schon gar zu stolz auf ihre Brücke war. Selbstredend ärgerte mich das sogleich. Und außerdem hätte der Mann am Brückenkopf die an sich ja durchaus vernünftige Brückensteuer doch wirklich nicht mit einer solchen Miene von mir zu erheben brauchen, als fordere er eine Strafzahlung für irgendein von mir unbewußt begangenes Verbrechen. Ich weiß nicht, ob ich mich täuschte, aber ich glaube doch, daß dieser Deutsche sich ganz besonders wichtig dünkte. »Sicher hat er schon erraten, daß ich ein Ausländer bin, und zwar ein Russe,« dachte ich. Wenigstens schien mir sein Blick nahezu wortwörtlich zu sagen: »Nun siehst du unsere Brücke, armseliger Russe! So wisse denn, daß du ein Wurm bist vor ihr und vor jedem einzelnen Deutschen, denn eine solche Brücke hast du nicht!« Sie werden doch zugeben, daß so etwas kränkend ist. Natürlich sagte der Deutsche das ja gar nicht und vielleicht dachte er nicht einmal etwas Ähnliches, aber das ist ja schließlich nebensächlich: jedenfalls war ich damals so fest überzeugt, in seinen Augen gerade diesen Gedanken zu lesen, daß ich endgültig wütend wurde. »Zum Teufel,« dachte ich, »wir haben auch ... haben die Teemaschine erfunden ... bei uns erscheinen Zeitschriften ... bei uns werden Offiziersausstattungen angefertigt ... bei uns ...« Kurz, ich wurde wütend und nachdem ich mir doch noch eine Flasche Eau de Cologne gekauft hatte (vor der ich mich schon gar nicht mehr retten konnte), reiste ich geschwind nach Paris, natürlich in der Hoffnung, daß die Franzosen bedeutend liebenswürdiger und anziehender sein würden. Jetzt urteilen Sie selbst: hätte ich mich überwunden und wäre ich in Berlin nicht nur einen Tag, sondern eine ganze Woche geblieben, in Dresden desgleichen, in Köln etwa drei Tage, oder auch nur zwei, dann hätte ich dieselben Dinge ein zweites, ein drittes Mal und mit anderen Augen gesehn und wäre schließlich zu einem gerechteren Urteil über sie gekommen. Sogar ein Sonnenstrahl, ein ganz gewöhnlicher Sonnenstrahl macht in solchen Fällen schon viel aus: hatte er bereits während meines ersten Aufenthaltes in Köln den Dom so beleuchtet, wie er es erst bei meinem zweiten Aufenthalt dortselbst tat, dann wäre der Dom mir sogleich in seinem richtigen Lichte erschienen und nicht so wie an jenem trüben und sogar regnerischen Morgen, der in mir nur eine Aufwallung gekränkter Vaterlandsliebe zuließ. Womit übrigens nicht gesagt sein soll, daß Vaterlandsliebe sich nur bei schlechtem Wetter einstellt. Also, Sie sehen, meine Freunde: in zwei und einem halben Monat kann man nicht alles sehen und folglich kann ich Ihnen weder genaue Angaben noch ausführliche Berichte zustellen. Ich müßte manches einfach aus der Luft greifen, was sich dann als unwahr erweisen würde, und deshalb ...
Doch da fallen Sie mir schon ins Wort und sagen, es sei Ihnen diesmal gar nicht um genaue Angaben zu tun, die fänden Sie im Notfall auch im Führer von Reichardt; dagegen wäre es gar nicht übel, wenn überhaupt jeder Reisende sich in seinem Reisebericht weniger die Feststellung der unbedingten Richtigkeit (zumal eine
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