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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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hatten, beschlossen sie, weitere zehn zu lesen, dann aber lasen sie schon ohne Unterbrechung die ganze Nacht durch bis zum Morgen, laut und sich gegenseitig ablösend, wenn der eine ermüdete. »Er liest da vom Tode des Studenten,« erzählte mir Grigorowitsch später, als wir allein waren, »und da, an der Stelle, wo der Vater dem Sarge nachläuft, merke ich, Njekrassoffs Stimme schwankt, einmal, das zweitemal, und plötzlich hält er's nicht aus und schlägt mit der flachen Hand aufs Manuskript: ›Ach, daß ihn doch!‹ – damit meinte er Sie, und so ging's die ganze Nacht!« Als sie zu Ende gelesen hatten (sieben Druckbogen!), beschlossen sie einstimmig, sofort mich aufzusuchen: »Was tut's, daß er schläft, wir wecken ihn auf, das ist höher als Schlaf!« – Später, als ich den Charakter Njekrassoffs schon kannte, habe ich mich oft über jene Stunde gewundert: er ist doch von Natur ein verschlossener, fast mißtrauischer Mensch, vorsichtig, wenig mitteilsam. So wenigstens ist er mir immer erschienen, und danach zu urteilen, muß jener Augenblick unserer ersten Begegnung in Wahrheit der Durchbruch eines tiefsten Gefühls gewesen sein. Sie blieben damals ungefähr eine halbe Stunde bei mir, und in dieser halben Stunde sprachen wir Gott weiß was alles durch, verstanden einander schon nach halben Worten, uns überstürzend, sprachen mehr in Ausrufen als in Sätzen, hastend: sprachen auch von der Dichtkunst, auch von der Wahrheit, auch von der »damaligen Lage«, natürlich auch von Gogol, zitierten aus seinem »Revisor« und aus den »Toten Seelen«, aber das wichtigste war Bjelinski. »Ich bringe ihm noch heute Ihr Manuskript und Sie werden sehen – das ist ein Mensch, wenn Sie wüßten, was das für ein Mensch ist! Sie werden ihn ja kennen lernen, dann werden Sie selbst sehen, was das für eine Seele ist!« sagte Njekrassoff, der mich mit beiden Händen an den Schultern hielt und schüttelte, einfach mit Begeisterung. »Na, aber jetzt schlafen Sie, schlafen Sie, wir gehen schon, morgen aber sofort zu uns!« – Als ob ich danach hätte schlafen können! Welch ein Entzücken das war, – solch ein Erfolg! Doch vor allem – das Gefühl war mir teuer, ich weiß noch genau: »Ein anderer hat Erfolg, nun, man lobt ihn, begegnet ihm, man beglückwünscht; aber die hier kamen doch mit Tränen in den Augen hergelaufen, um vier Uhr morgens, um mich aufzuwecken, denn das ist höher als Schlaf! ... Ach, – wie ist das schön!« Das war es, was ich damals dachte, wo hätte ich da schlafen können!
    Njekrassoff brachte das Manuskript noch am selben Tage zu Bjelinski. Er verehrte Bjelinski über alle Maßen und ich glaube, er hat ihn sein Leben lang von allen am meisten geliebt. Damals hatte Njekrassoff noch nichts von solcher Bedeutung geschrieben, wie es ihm erst bald darauf, im folgenden Jahre, gelang. Soviel ich weiß, war Njekrasfoff als Sechzehnjähriger nach Petersburg gekommen, ganz allein. Und geschrieben hatte er fast auch schon seit seinem sechzehnten Lebensjahre, über seine Bekanntschaft mit Bjelinski weiß ich nicht viel, aber Bjelinski hat ihn sofort, schon beim ersten Anfang richtig eingeschätzt und die Stimmung seiner ganzen Kunst vielleicht stark beeinflußt. Sicherlich hatte es zwischen ihnen bereits damals, trotz der Jugend Njekrassoffs und ihres Altersunterschiedes, schon Augenblicke gegeben und waren schon Worte gefallen, die fürs ganze Leben beeinflussen und untrennbar verbinden.
    »Ein neuer Gogol ist erschienen!« rief Njekraffoff laut, als er mit meinen ›Armen Leuten‹ bei Vjelinski eintrat. »Bei Euch wachsen ja die Gogols wie die Pilze,« bemerkte Bjelinski in strengem Ton, aber er nahm doch das Manuskript. Als Njekrassoff am Abend wieder zu ihm kam, empfing Bjelinski ihn ›einfach in Aufregung‹: »Bringen Sie ihn mir, bringen Sie ihn so schnell wie möglich her!«
    Und da brachten sie mich denn (das war also schon am dritten Tage) zu ihm. Ich weiß noch, daß mich auf den ersten Blick sein Äußeres sehr frappierte, seine Nase, seine Stirn; ich hatte ihn mir, ich weiß nicht warum, ganz anders vorgestellt, ›diesen furchtbaren, diesen schrecklichen Kritiker.‹ Er empfing mich ungeheuer ernst und zurückhaltend. »Nun was, vielleicht ist das gerade das Richtige,« dachte ich, aber es verging, ich glaube, noch nicht einmal eine Minute und schon verwandelte sich alles: der Ernst war nicht die vorbedachte Haltung einer berühmten Persönlichkeit, eines großen Kritikers, der einen

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