Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Verlagsanstalt von R. Piper K Co. mustergültig zu besorgen am Werke ist, für eines der verdienstvollsten Unternehmen überhaupt, das wir dem deutschen Verlagsbuchhandel in der letzten Zeit verdanken. Wer europäisches Kulturgewissen hat, muß trachten, Dostojewski kennen zu lernen, und zwar den ganzen Dostojewski, denn dieser ist, obwohl auch seinem Werke Widersprüche nicht fehlen, eine gewaltige Einheit, deren wirkliches Wesen nur Dem voll aufgeht, der es sich in seiner Gesamtheit zu eigen macht. Das Wort Weltliteratur, zum ersten Male von Goethe ausgesprochen und zwar im Sinne eines deutschen Kultur-Postulats, darf keiner als beherzigt im Munde führen, der neben den Großen klassischer Prägung aus den reinen Kunstzeiten der Völker nicht auch diesen wahrhaft großen Modernen kennt, der, gleich jenen, wirklich eine Welt bedeutet. Diese Welt ist nicht die unsere, ja sie ist ihr im Grunde feindlich und bedrohlich, aber eben darum müssen wir sie kennen und verstehen lernen. Je intensiver wir fühlen, daß es nicht die unsere ist und daß wir uns in der unseren bestärken müssen gegen sie, um so nützlicher wird uns die Bekanntschaft mit ihr werden ohne doch dadurch an Reiz einzubüßen. Denn das ist das Wunderbare an Dostojewski: er verletzt nicht. Er ist zu groß dazu. Er kann bedrücken, wie Gewitterluft bedrückt, aber er entschädigt dafür durch herrliche Entladungen des souveränen Genies. Doch dieses ist nicht der Hauptgrund, weshalb bei ihm das, was uns unsympathisch, fremd pathologisch berühren könnte, schließlich als Reiz wirkt. Der Hauptgrund liegt im Elementaren der Anlage und Darstellung. Es wäre verkehrt, zu sagen, daß Dostojewski das habe, was man reine Objektivität nennt. Er ist vielmehr tendenziös, aber er ist es in so kolossaler Art, wie es nur ein Genie sein kann, dessen verstandesmäßige Absichten nicht als Absichtlichkeiten, sondern als Selbstverständlichkeiten seines jeweiligen Stoffes zutage treten. Man weiß bei ihm schon nach den ersten Seiten gleich das »Wie und Wann«, genau wie bei Shakespeare. Mit anderen Worten: Er hat die geniale Naivität der Tendenz. Es ist das gleiche, wie mit per naiven, selbstverständlichen Absicht einer natürlichen schönen Frau, zu gefallen. Sie liegt in ihr, ist wie ein Reflex ihres Wesens, wirkt ohne Zuhilfenahme des bewußten Willens und daher ohne jeden fatalen Beigeschmack, wahrend die Gefallsüchtige durch ihre Absichtlichkeit den feineren Sinn genau so abstößt, wie der ästhetisch empfindliche Leser durch bewußte aufdringliche Tendenz von einem Kunstwerke abgestoßen wird. Es besteht bei der Lektüre Dostojewskis vielmehr die Gefahr, daß wir, ob auch im Anfang von richtigem Instinkte zu abweisender Stimmung aufgebracht, nach und nach so in den Bann seiner großen Persönlichkeit und Kunst kommen, daß wir schließlich das gefährliche Fremde, für uns Giftige seiner Art gar nicht mehr spüren. Deledando juvat . Wer auch nur ein Buch Dostojewskis kennt, weiß, wie fesselnd, hinreißend dieser Koloß auch zu unterhalten weiß. Es ist darum in der Tat lange Zeit so gut wie ganz übersehen worden, daß dieser mächtige Zauberer, der zu spannen und zu überraschen versteht wie Balzac, nicht bloß ein höchst interessanter Schilderer russischer Zustände, auch nicht bloß ein gewaltiger dichterischer Verklärer russischen Wesens, sondern ein bewußter Apostel der innerlichsten Kräfte des russischen Volkes ist, von dem er die tiefste Überzeugung hat, daß sie nicht allein Rußland zu einer ungeheuren Geschlossenheit und Macht steigern, sondern auch die westliche Kultur in ihrer jetzigen Richtung brechen und mit ihrem Geiste zu etwas Neuem umbilden werden. Sein Glaube ist, daß am russischen Wesen die Welt einmal genesen soll, denn für ihn ist der Westen krank, die russische Oberschicht davon angesteckt und nur das russische Volk gesund. Es wurde das nicht bemerkt, weil sein Apostolat viel weniger das eines Predigers, als das eines Gestalters ist und weil seine Kunst der Gestaltung die ganz seltene Kraft hat, die nur den gewaltigsten Bildnern eignet: daß sie oberhalb aller Meinungen gleichsam göttlich erhaben ohne Anteilnahme aus ungeheurem Überflusse schafft: Gerechte und Ungerechte, Weise und Toren, Gesunde und Kranke, Ehrfurchtgebietende und Alberne, – alle mit der gleichen Gelassenheit ihren Weg verfolgen lassend und nur in der Auswage des Ganzen zu einer Weltharmonie einen höheren Sinn fühlend und wollend. Hätte er nicht doch
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