Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
dieser Weise Mut gemacht hatte, retirierte er auf einmal ganz unerwartet wieder hinter den Wandschirm. »Nein,« dachte er, »wenn nun aber jemand hereinkommt? Da haben wir's; da ist schon jemand hereingekommen! Warum habe ich auch gezaudert, als niemand darin war? Ich hatte ohne Umstände eindringen sollen! ... Nein, wie ist es möglich einzudringen, wenn ein Mensch so einen Charakter hat! Das ist eine ganz schlechte Veranlagung! Ich habe es mit der Angst bekommen wie ein Hase! Die Ängstlichkeit liegt in meiner Natur; das ist es! Ich verderbe immer alles; das ist keine Frage. Da stehe ich nun hier ganz zwecklos wie ein Tölpel! Zu Hause könnte ich jetzt ein Täßchen Tee trinken ... Das wäre ganz angenehm, so ein Täßchen zu trinken. Wenn ich spät nach Hause komme, wird Petruschka am Ende wieder brummen. Soll ich nicht lieber nach Hause gehen? Hole hier alles der Teufel! Ich gehe nach Hause, abgemacht!« Aber nachdem Herr Goljadkin diesen Entschluß gefaßt hatte, ging er, wie wenn jemand in seinem Innern eine Feder berührt hätte, schnell vorwärts; mit zwei Schritten befand er sich im Büfettzimmer, zog den Mantel aus, nahm den Hut ab, schob dies alles in eine Ecke, machte seinen Anzug zurecht und strich sich das Haar glatt; dann ... dann ging er ins Teezimmer, aus dem Teezimmer glitt er noch in ein anderes Zimmer und schlüpfte fast unbemerkt zwischen den in Eifer geratenen Kartenspielern hindurch; dann... dann ... hier vergaß Herr Goljadkin alles, was um ihn herum geschah, und erschien plötzlich ganz unerwartet im Tanzsaale.
    Es traf sich, daß gerade in diesem Augenblicke nicht getanzt wurde. Die Damen promenierten in malerischen Gruppen im Saale. Die Herren drängten sich zu einzelnen Kreisen zusammen oder schwärmten durch den Saal, um Damen zu engagieren. Herr Goljadkin bemerkte nichts davon. Er sah nur Klara Olsufjewna, neben ihr Andrei Filippowitsch, ferner Wladimir Semjonowitsch und noch zwei oder drei Offiziere sowie noch zwei oder drei gleichfalls sehr interessante junge Leute, die, wie man auf den ersten Blick sehen konnte, zu schönen Hoffnungen berechtigten oder solche bereits erfüllten ... Er sah auch sonst noch diesen oder jenen. Oder nein; er sah niemand mehr und blickte nach niemand hin ... Durch jene selbe Feder getrieben, mittels deren er uneingeladen sich in einen fremden Ball eingedrängt hatte, schritt er vorwärts, dann noch weiter vorwärts und noch weiter vorwärts, stieß im Vorbeigehen an irgendeinen Rat und trat ihm auf den Fuß, benutzte die Gelegenheit, einer hochachtbaren alten Dame auf das Kleid zu treten und etwas daran zu zerreißen, stieß einen Diener, der ein Präsentierbrett trug, an, stieß noch jemand an, schritt, dies alles nicht bemerkend oder, richtiger gesagt, es nur so obenhin bemerkend, ohne jemand anzusehen, immer weiter und weiter vorwärts und stand plötzlich vor Klara Olsufjewna selbst. Ohne allen Zweifel wäre er, ohne mit den Wimpern zu zucken, in diesem Augenblicke mit dem größten Vergnügen in die Erde versunken; aber was geschehen ist, kann man nicht rückgängig machen; das ist schlechterdings unmöglich. Was war zutun? »Mißlingt's, dann nicht verzagen; gelingt's, dann weiter wagen,« dachte er bei sich. Herr Goljadkin war eben kein Intrigant und verstand sich nicht darauf, »das Parkett mit den Stiefeln zu polieren«. Es war nun einmal geschehen. Zudem hatten sich auch die Jesuiten da irgendwie hineingemischt ... Aber was gingen Herrn Goljadkin die Jesuiten an! Alles, was da umherging und lärmte und redete und lachte, das verstummte plötzlich wie auf ein gegebenes Zeichen und drängte sich allmählich um Herrn Goljadkin zusammen. Aber Herr Goljadkin schien nichts zu hören und zu sehen; er vermochte nicht um sich zu schauen, nichts anzublicken; er schlug die Augen zu Boden und stand so da; nebenbei gab er sich übrigens das Ehrenwort darauf, sich noch in dieser Nacht zu erschießen. Nachdem er sich darauf das Ehrenwort gegeben hatte, sagte Herr Goljadkin in Gedanken zu sich selbst: »Nun komme, was kommen will!« und fing zu seinem eigenen größten Erstaunen auf einmal ganz unerwartet zu reden an.
    Herr Goljadkin begann mit einer Gratulation und mit dem Ausdruck seiner guten Wünsche. Die Gratulation ging gut vonstatten; aber bei dem Ausdruck seiner guten Wünsche stieß unser Held an. Er hatte schon vorher gefühlt, daß, wenn er anstieße, alles mit einem Mal zum Teufel gehen werde. Und so kam es auch: er stieß an und blieb stecken; er

Weitere Kostenlose Bücher