Werke
unter mir das Dorf mit seinen rauchenden Dächern, wie es zwischen Busch und Bäumen längs dem Ufer des lieblichen Treeneflusses hingestrecket lag. Da klopfte mir das Herz, daß ich zu meinen lieben Eltern käme, und warf nur kaum noch einen Blick auf den Thurm des alten Bischofshauses, der im Abendgeleucht wie gülden an der Wasserseite aufragete, sondern schwang meinen Stab und sang gar lustig:
Hier oben von der Höhe
Da kommt der Herr Student!
Herr Vater, o Frau Mutter,
Nun schüttelt mir die Händ!
Mit solchem war ich auch schon unten, und die Dorfshunde fuhren bellend nach meinen Stiefeln, die Weiber, so vor den Thüren stunden, glotzeten nach meinem rothen Rocke und stießen sich mit den Ellenbogen. Da ich aber durch die kleinen Häuser in das Dorf hineinschritt, erblickte ich hinter denselben, nach dem Flusse zu, ein groß und zweistöckig Gebäu, das lag wie in Einsamkeit und nahezu versteckt unter gewaltigen Bäumen; war auch kein lebend Wesen dort zu sehen, weder am Hause noch an der Scheune, so dahinter lag; nur oben aus den Baumkronen erhub sich groß Gevögel und flog dazwischen hin und wider.
Da frug ich einen Alten: »Wer wohnet denn dort unten?«
– »Das wisset Ihr nicht?«
»Nein; ich frage Euch eben derohalben.«
– »Dort wohnet der Hofbauer«, entgegnete er, strich mit der Hand um seinen Stoppelbart und ging in seine Kathen.
Schritt also mit solchem Bescheide fürbaß; wandte aber, unwillens fast, wiederholentlich den Kopf und sehe rückwärts nach den Fenstern, die dorten so schwarz und heimlich unter den düsteren Bäumen glitzerten. Da, wie ich so eine Weile fast in Gedanken fortgegangen, hörete ich plötzlich »Josias, Josias!« wie aus der Luft zu mir herabgerufen. Und war es mein lieb Mütterlein, die stund oberhalb des Kirchhofes auf der Höhe, darauf sie das Glockenhaus gebaut, und hatte durch den Abend nach mir ausgesehen. Da war ich flugs an ihrer Seiten und hielt sie an meiner Brust und frug alsbald, wo unsere Heimstätte itzo denn belegen sei; und da sie nur über den Weg hinüber auf ein freundlich Haus und Garten zeigte, hub ich die fein und handlich Frau auf meine Arme und trug sie den Berg hinab.
Und wiederum, aber solches Mal vom Hause her, rief es: »Josias, Josias!« und unter herzlichem Lachen: »Aber gehet man so mit seiner Mutter um?« Das war mein lieber Vater; der war vor die Thür getreten und nahm sich nun die Mutter aus des Sohnes Armen; denn er war von denen, welche wohl wissen, was ein Scherz bedeute, der aus reiner Herzensfreud quillet. Da aber mein Mütterlein nach ihrer lebhaften Art ihn drängte, ihren stattlichen Sohn gleich ihr mit Worten zu bewundern, entgegnete er fürsichtig: »Ja, ja, Mutter; ich sehe, der Bruder studiosus ist gar wohl gerathen; wollen sehen, ob der theologus darum nicht schlechter sei.«
Dann führten die Eltern mich in meine Kammer; die lag anmuthig nach dem Wald hinaus, und hat selbiger mich dorten oftmals nach meinem Nachtgebete sanft in Schlaf gerauschet. Zwar war der Fußboden nur mit Backsteinen ausgelegt; aber mein Mütterlein hatte eine Decken übergebreitet, wie solche von den kleinen Leuten hier aus den Flußbinsen angefertigt werden.
Bald stellete ich meine Bücher und die wohlgebundenen Collegienhefte auf den großen Tisch und saß zu meines lieben Vaters Freude mit großem Eifer über meiner Arbeit. Meine Mutter aber störete mich dann wohl, suchte mich ins Freie hinauszutreiben und sprach: »Was sollten doch die Leute denken, so dir in deiner Mutter Pflege die frischen Wangen einfielen!« Und eines Abends, da es eben neun vom Glockenthurm geschlagen hatte, rief sie gar: »Da sitzest du noch, Josias, und weißt doch, daß des Kirchenältesten Tochter Hochzeit hält! Da will es sich schicken, daß auch des Pastors Sohn mit der Braut ein Tänzchen mache!« Dann hub sie meinen Rock vom Nagel, bürstete ihn säuberlich und steckte mir einen Hochzeitsthaler in die Taschen. Und itzt vernahm ich auch von fern das Fiedeln und Trompetten, und währete es nicht lang, so war ich mitten in der Hochzeit.
Es sind aber nach altsächsischer Art die Häuser hier gebaut, also daß das Vieh, welches, wie dazumal im Sommer, auf den Koppeln oder Fennen weidet, zur Winterszeit zu beiden Seiten der großen Diele seinen Stand hat, die Stuben für den Bauern und seine Leute aber, was sie »Döns« benennen, der Thorfahrt gegenüber zu unterst an der Dielen liegen.
Da ich nun von draußen aus der sommerlichen Abendstille
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