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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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vor, sobald ich nur die Augen schloß; erwog auch bei mir selber, wenn es ein Engel möge gewesen sein, so hab es doch das Haar unter ein goldglitzernd Käpplein zurückgestrichen gehabt, wie es am Sonntag hierherum die Dirnen auf den Dörfern tragen; ja, überkam mich fast die Lust, noch einmal auf St. Jürgens Gaul hinaufzuklettern. Erst als das gute Mütterchen mit der qualmenden Lampe mir unter die Nase fuhr, richtete ich mich auf in meinen Kissen. Da rief sie einmal über das andere ein großes Lobe-Gott; dann zapfte sie mir aus ihrer grünen Flaschen und sagte: »Es ist gut, Josias, daß du heut morgen bei deinem Vater Gottes Wort gehört; denn unter dem Thurm bei dem alten Taufstein soll unterweilen itzt der Teufel sitzen und bös Ding sein, mit weltlichen Gedanken ihm vorbeizukommen.«
    Ich aber frug gar ängstlich, ob sie mich denn dort hinausgetragen.
    »Freilich, Josias«, entgegnete sie; »’s war ja der Küster; wer im Beruf gehet, der braucht sich nicht zu fürchten.«
    Da freuete ich mich, daß ich meiner Sinne ganz unmächtig gewesen; denn ob meine Engelgedanken, die ich aus der Kirchen mitgenommen, geistlich oder aber weltlich seien, das wollte mir allganz nicht deutlich werden. Im übrigen fiel mir bei, daß der grausame Quadrupede, mit welchem ich gekämpfet, des Küsters Albert Carstens seiner müsse gewesen sein; er hatte, wie ich wußte, einem dänischen Capitän gehört, der bei letzterem in Quartier gelegen, bei der Berennung der Finkenhausschanze aber sein Leben hatte lassen müssen. Und erzählete mir auch das gute Mütterlein, daß der vielen Einbrüch wegen sie den Hund zur Wache hätten in die Kirchen eingelassen. Woher aber der Engel kommen, der mich vor ihm bewahret, das wurde mir nicht kund; mochte auch späterhin, aus weß Ursach war mir selber nicht bewußt, bei andern Leuten mich nicht darum befragen. Und ist mir in meiner noch übrigen Schulzeit, so viel ich an den Markttagen danach spähete, das lieblich Antlitz mit dem glitzernden Käpplein niemalen mehr begegnet.
     
    Anno Dom. 1705. Es gab zwar zu Zeiten des Administratoris, Hochfürstlichen Durchlaucht Christian August, mit denen geistlichen Ämtern sonderbaren Umgang; hatte doch der gewaltige Rath von Goertz das Pastorat zu Böel in Angeln auf der Hamburger Börsen an den Meistbietenden verkaufen lassen; an einen Schlemmer und Spielbruder, dem man, da es hernach mit ihm zum Sterben ging, die Karten vorgehalten, ob er daran die Farben noch erkennen möge. Gleichwohl glückete es meinem lieben Vater, daß er aus seinem elendigen Diaconate zu Schwesen in das einträglichere Pastorat zu Schwabstätte gelangte und darin bestätiget wurde. Da ich bereits auf der Universität zu Kiel inscribiret war, so machten mich die von meinen lieben Eltern nun viel reichlicher fließende Subsidien für eine Weile gar übermüthig; denn ich stolzirte in hohen Stiefeln und einem rothen Rockelor mit einem Degen an der Seiten; ja, hatte gar einmal einen Ehrenhandel mit einem aus dem Adel, maßen selbiger meines Hauswirths ehrbare Tochter, so mich aber sonsten nichts anging, vor eine Studentenmetze proclamiret hatte. Im übrigen blieb ich nicht dahinter, weder in theologicis noch in philosophicis; hielt mich in ersteren aber meist zu denen älteren professoribus, denn insonders unter den magistris legentibus waren derer, so entgegen der Lehre Pauli und unseres Dr. Martini die Macht des Teufels zu verkleinern und sein Reich bei den Kindern dieser Welt aufzuheben trachteten. Solches aber war nicht in meinem und meines lieben Vaters Sinne.
    Weil nun aber nach dem alten Spruche die Repetition die Mutter der Studien ist, so wurde nach absolvirtem biennio unter uns beschlossen, daß ich zu solchem Zwecke den Sommer des obbezeichneten Jahres im elterlichen Hause verleben, sodann aber zu weiterer Erudition für eine Zeitlang noch die berühmte Universität zu Halle beziehen solle. Langte also eines Nachmittages mit guter Gelegenheit in Husum an und bedienete mich für die noch übrige zwo Meilen der Beförderung der heiligen Apostel.
    Ich war freilich bislang in Schwabstätte noch nicht gewesen und des Weges unbekannt; es führete selbiger aber zuerst durch die Marsch, wo er auf dem Lagedeiche geradehin läuft; und wo es aufwärts dann in Sand und Heide ging, zeigte sich wohl hie und da eine Kathe, so daß ich mich leichtlich weiter fragen mochte. Plötzlich, da der Weg sich zu einer Anhöhe hinauf gewunden und schon der Abend seine Schatten warf, sahe ich

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