Werke
eintrat, war mir erstan, als sähe ich ein seltsam und beweglich Schattenspiel; denn die Unschlittkerzen an den Ständern warfen nur karge rothe Lichter über die Köpfe derer, die hier sich durch einander drängten oder zu Paaren ihren Zweitritt tanzten und mit Juchzen und Gestampf den Musikanten Hülfe gaben. Und da der große Raum mit Gästen fast gefüllt war, so dauerte es eine Weile, ehe ich die Flitterkrone der Braut daraus emportauchen sahe; machte dann meine Reverenz und drehte mich, obschon in dem Gedrang eine eigene Baurenkunst dazu gehörte, ein Dutzend Male mit selbiger hindurch. Hienach aber setzete ich mich zu einem Krämer aus der Stadt, so von der Schulzeit mir bekannt war, oder zu dem und jenen von denen älteren Bauren, die unter den Tonnen der Musikanten oder drinnen in der Döns an ihrem Bierkrug saßen.
Es mochte solcher Weise die Zeit bis Mitternacht verflossen sein, da sahe ich auf dem Tritt zur Oberstuben eine Dirne stehen, abseits von den andern, als zieme ihr nicht, sich in den Haufen zu verlieren; und da ich ihr im Rücken näher trat, gewahrete ich, daß sie zwar in Baurentracht gekleidet, ihr Röcklein aber von schwarzem Seidentaffet und: das Käppchen auf ihrem braunen Haar von rothem Sammet und gar reich mit Gold gesticket war. Mit dem, da itzt die Musikanten auf einen neuen Tanz anhuben, war ein junger Knecht zu ihr herangetreten; der stieß einen Juchzer aus und winkte ihr, daß sie mit ihm in die Reihe träte. Aber sie wandte nur leichthin den Kopf, als sähe sie ihn kaum, und rührte sich nicht von ihrem Platze. Da stampfte der Bursche gar grimmig und mit einem Fluche auf den Boden; und dauerte es nicht lang, so sahe ich ihn mit einer andern im Gedrang verschwinden.
Die zierliche Dirn aber stund noch an dem Thürgerüste; und hatte ich, da sie vorhin den Kopf gewandt, bemerket, daß sie die Kinderschuh noch nicht gar lang verworfen habe, denn ihre bräunlichen Wangen waren noch wie von zartem Pfirsichflaum bedecket.
»Saget mir«, frug ich ein altes Weib, so eben mit einem Fäßchen Bier an mir vorüber wollte, »wer ist die feine Dirne dort?«
»Die, Jungherr? Das ist die Renate vom Hof.«
– »Vom Hof? Da norden vor dem Dorf?«
»Ja, ja, Herr! Oh, die ist stolz! Wollen immer was Bessers sein, die vom Hof; sind aber auch nur Bauern, sind sie!«
– »Und wer war«, frug ich wieder, »der junge Knecht, den sie soeben fortschickte?«
»Hab’s nicht gesehen, Herr; wird aber wohl nicht hoch genug gewesen sein.«
Nach solchem sahe ich gar fröhlich auf meinen rothen Rock und meine hohen Stiefel, zu mir selber sprechend: ›Du bist der Rechte!‹ Ging also näher, und indem ich sanft mit der Hand an ihren Arm fassete, sprach ich: »Mit Verlaub, Jungfer, wir tanzen wohl einmal mitsammen!« Erhielt aber auf so zierliche Anrede von dem kleinen Ellenbogen einen Stoß, daß ich fast getaumelt wäre. »Was will der dumme Jung!« rief sie; und als sie dabei das Köpfchen zu mir kehrte, da blickten ein Paar großer dunkler Augen gar zornig auf mich hin.
Da ich dann entgegnete: »Das war nicht fein, Jungfer; aber ich hab dich wohl erschrecket«, geschah es mit einem Male, als fiele es mir wie Schuppen von den Augen: der Engel von Sanct Jürgens Standbild, er war es, und hatte mich gar eben kräftiglich gegrüßet! Da sie aber noch stumm mit offenem Mündlein mir ins Antlitz blickte, rief ich: »Ja, ja, Jungfer, gucket nur; ich bin’s und habe den Engel nicht vergessen!«
Bei solchen Worten flog ein lieblich Roth über ihr junges Gesicht; da ich nun aber dachte, sie zum Tanze frisch weg von ihrem Tritt herabzuziehen, setzten jählings die Musikanten Ihre Geigen und Trompetten ab, und lief alles in großem Tumulte auf der Dielen durch einander; angesehen nunmehro die Überreichung der Hochzeitsgaben vor sich gehen sollte. War auch bald eine Tafel hergerichtet; dahinter saßen Braut und Bräutigam, jeder von ihnen mit einer irden Schüsseln vor sich. Da drängte alles sich heran und brachte, wie es Brauch ist, der eine einen Kronthaler, der andre ein lübisch Markstück, die Fürnehmeren auch wohl ein silbern Geräthstück; und in wessen Schüssel es geleget wurde, der trank dem Geber aus einem Glase zu, so neben einer Flasche Weines gleichfalls vor ihrer jedem stund. Griff also auch in meine Taschen und hatte nicht groß Mühe, das schöne Silberstück darin zu finden; doch waren meine Gedanken bei dem Dirnlein, das ich schier nirgendwo erschauen mochte. So trat ich auf die Stufen,
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