Werke
Mamsellchen«, setzte er hinzu, »nachmittags fünf Uhr, wenn Sie es nicht vergessen wollen!«
»Nein, nein«, erwiderte sie hastig, »geht nur und ruht Euch aus; ich werde Euch was Gutes zu Mittag schicken.« Ein heißes Rot hatte ihr Antlitz überzogen, während sie langsam ihrem Hause zuging; der empfangene Auftrag schien sie sehr erregt zu haben.
Aber erst am Nachmittage, kurz vor der genannten Stunde, stieg sie die Felsentreppe hinab; sie hätte näher durch den Garten gehen können; aber sie schien absichtlich, als wolle sie sich selbst noch einen Aufschub gönnen, diesen weiteren Weg zu wählen. Als sie vor der Schwelle des Abnahmehauses stand, erschrak sie fast, da sie die Haustür offen sah; auch mußte sie sich erst den einen kleinen Finger mit ihrem Tuche wischen; denn sie hatte ihn blutig gebissen, während sie von der letzten Treppenstufe bis hierher gegangen war.
Als aber Wulf Fedders mit seinem blonden Kopfe etwas verwirrt aus der vor ihm liegenden Arbeit auftauchte, sah er sie plötzlich vor sich stehen, und wie damals in ihrer Kinderzeit rief er: »Du, Kätti? Bist du schon lange hier?«
Sie schüttelte den Kopf; aber als sie sprechen wollte, fehlte ihr der Atem.
»Nun«, sagte er; »ich hab schon soviel Zeit, dich anzuhören.«
Kätti blickte gegen die Wand und erwiderte stockend: »Ich glaube doch, daß die lange Trina unsern Fidél geschlachtet hat.«
»Meinst du? Aber was ist dabei zu machen?«
»Ich möchte bitten, daß Sie mit mir hingehen, ich habe Furcht allein.«
»Aber, Kätti, wenn er tot ist, bekommst du ihn ja doch nicht wieder!«
»Ich möchte es nur wissen«, sagte sie leise. »Wollen Sie nicht mit mir gehen?«
Der Doktor zögerte; es war, wie er sich ausdrückte, »ein Knacken« in seiner Arbeit, den er heut noch überwinden möchte; als aber Kätti vor ihm stehenblieb, nur die dunkeln Augen in angstvoller Erwartung auf ihn richtend, stand er auf und packte seine Bücher fort. »Wenn es denn sein muß, Kätti!« sagte er. »Aber was ist dir heute? Deine Wangen wetteifern ja mit deiner roten Schleife!«
Er erhielt keine Antwort; Kätti war schon draußen vor der Haustür.
Kopfschüttelnd nahm der Doktor seine Botanisiertrommel von der Wand, und bald gingen sie nebeneinander über die Felder nach dem Walde zu; sie hörten es eben hinter sich im Dorfe fünf vom Kirchturm schlagen, als sie ihn erreichten.
»Wollen wir nicht etwas rascher gehen?« sagte der Doktor, da Kätti jetzt absichtlich ihren Schritt zu hemmen schien.
»Ja, ja; ein wenig rascher!« – Sie tat es auch, bald aber wurde ihre Schritte zögernd wie vorher.
Er schien es nicht beachtet zu haben, daß sie um den äußeren Rand des Waldes herumgingen; denn es wuchs und blühte hier manches, das seine Aufmerksamkeit erregte, und Kätti hatte immer Neues ihm zu zeigen und zu fragen. Plötzlich aber, da er um sich blickte, rief er: »Weshalb gehen wir denn hier? Der Fahrweg durch den Wald muß ja viel näher sein.«
»Der Fahrweg?« – Kätti hatte den Kopf gewandt und sprach es in die Luft hinaus: »Es kann wohl sein; ich dachte nicht daran!«
»Aber du warst vorhin doch selbst so eilig!«
»O nein; ich habe Zeit genug.«
»Du bist ein wunderliches Mädchen, Kätti.«
Es dauerte lange, bis sie an die Kate der langen Trina kamen. Das baufällige Häuschen lag schon im tiefen Tannenschatten; aber die Tür war verschlossen, und Wulf Fedders trommelte daran mit beiden Fäusten, ohne daß geöffnet wurde. Als er durch die blinden Fenster hineinzublicken suchte, sprang von drinnen die schwarz und weiß gefleckte Katze gegen die Scheiben und sah ihn mit ihren grünen Augen an. »Brr!« sagte er; »nur der Haushund ist da drinnen.« In demselben Augenblick aber, da er einen Schritt zurücktrat, gewahrte er das gegen die südliche Hausmauer angelehnte Brett, woran auch heute noch eine Anzahl von Tierfellen, mit der Rauchseite nach innen, angeheftet hing. »Kätti!« rief er; »wo bist du, Kätti?«
Sie stand seitwärts unter einer einzelnen Tanne und schien auf das Moor hinauszublicken, das sich hier vor der Hütte der Alten in unerkennbare Ferne hinausstreckte, mit der einen Hand hatte sie über sich einen Ast ergriffen, so daß ihr Köpfchen an dem eigenen Arme ruhte.
Als Wulf Fedders die schlanke Mädchengestalt so fast wie schwebend gegen den schon goldig angehauchten Himmel sah, zögerte er einen Augenblick; dann rief er noch einmal, aber leise, ihren Namen; da wandte sie sich und kam langsam zu ihm.
»Ist
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