Werke
das Fidél?« sagte er und hob mit einem abgerissenen Zweige die Rauchseite eines noch blutigen Felles in die Höhe.
Sie hielt ein Weilchen wie gezwungen die Augen darauf gerichtet und schüttelte dann den Kopf.
Er hob noch andere Felle auf. »Ein Iltis und zwei Katzen! Gott weiß, was die Alte mit dem Unzeug anfängt! – Wir können nun nur wieder heimgehen«, setzte er hinzu. »Und hier führt auch der Fußsteig in die Tannen!«
Sie stutzte erst und blickte unsicher vor sich hin; dann ging sie rasch voran.
Als sie eine Weile zwischen den dunkeln Bäumen fortgeschritten waren, ließen sich ganz deutlich seitwärts aus der Tiefe des Waldes Geigentöne hören.
Kätti fuhr sichtlich zusammen.
»Was hast du?« sagte er. »Bist du so schreckhaft heute? Die neuen Buchen werden nicht weit sein; es ist eine Tanzgesellschaft, und dein Sträkelstrakel spielt die Geige!«
Sie antwortete nicht; aber ein Seitensteig führte hier in die entgegengesetzte Richtung, und sie ging eilig darauf vorwärts, als ob sie vor jenen Tönen fliehen müsse. Und bald auch wieder war um sie her nichts anderes vernehmbar als das eintönige Kochen und Weben in den Tannenwipfeln, die der Abendwind bewegte. Er folgte ihr in einiger Entfernung, doch nicht weiter, als daß er um so besser die anmutige Gestalt betrachten konnte; und seine Augen sahen bald nichts anderes als sie. Im Gehen streifte ein überhängender Zweig die rote Schleife aus ihrem Haar; sie hatte es nicht bemerkt; aber er hob sie auf und zeigte sie ihr. »Warte!« sagte er; »ich weiß wohl, wie sie sitzen soll!«
Sie neigte demütig das Haupt und duldete es, daß seine ungeschickten Finger sich mit dem Bande mühten.
»Habe ich es recht gemacht?« frug er leise; noch einen Augenblick ruhte seine Hand auf ihrem Haar.
Sie nickte nur; es kam kein Hauch von ihrem Munde. Dann gingen sie aufs neue weiter; das Rauschen in den Wipfeln hatte aufgehört, es wurde immer stiller um sie her.
Jetzt öffnete sich eine Lichtung, in der das Gold des Abendhimmels auf Hülsen- und Farnkräutern lag, die hier in unberührter Einsamkeit beisammenstanden. »Weißt du denn wirklich, wo wir sind?« sagte Wulf, als Kätti vor ihm in das Gewirre hineinschritt. »Mir ist, als kämen wir niemals mehr aus diesem Wald!«
Ein gellender Schrei antwortete ihm.
»Kätti, liebe Kätti!« Er war im Nu an ihrer Seite.
Vor den Füßen des Mädchens lag eine Schlange, auf deren Rücken das Kainszeichen in dem schwarzen Zickzack deutlich zu erkennen war. Der tellerförmig aufgerollte Leib schien wie am Boden festgeheftet; nur die Muskeln spielten in unablässiger Bewegung, und der flache Kopf mit den glühenden Augen war drohend in die Luft emporgerichtet.
»Da, da!« stammelte Kätti und erhob mühsam wie im Traume ihre Hand.
Ein wütender Biß der Schlange zuckte nach ihr hin; aber Wulf Fedders hatte sie schon auf seinen Arm gehoben und trug sie fort, immer weiter, er wußte selber nicht, wohin; aus dem Tannen- in den Buchenschlag und aus den Buchen endlich an den Rand des Waldes; sie hatte die Arme um seinen Hals geschlungen und ruhte wie ein Kind mit ihrer Wange an der seinen.
Nun ließ er sie sanft zur Erde nieder; allein sie blieb noch mit geschlossenen Augen an ihm ruhen.
»Kätti«, sagte er sanft; »besinne dich, die Gefahr ist jetzt vorüber.«
Sie hob den Kopf und sah ihn an, als seien ihre Gedanken ganz woanders.
»Die Schlange!« sagte er. »Weißt du nicht? Sie hätte dich doch fast gebissen!«
»Ja, ja, die Schlagen!« wiederholte sie und trat von ihm zurück; aber das Wort schien keine Bedeutung mehr für sie zu haben.
»Nicht wahr«, fuhr er fort, »sie ist weit, ganz weit von uns entfernt; du fürchtest sie nun nicht mehr?«
Sie schüttelte den Kopf und sah ihn dennoch angstvoll an.
»Kätti«, rief er bittend, »mach nicht so heimatlose Augen!«
Und da sie noch immer stumm blieb, streckte er in heftiger Bewegung beide Arme ihr entgegen.
Einen Augenblick neigte auch sie sich gegen ihn; dann aber richtete sie sich jäh empor. »Nein, nein«, schrie sie, und ihre kleinen Hände stießen ihn zurück; »ich kann nicht, ich bin falsch gewesen!«
»Falsch? Du, Kätti? Du kannst ja gar nicht falsch sein!«
»Doch«, sagte sie und nickte ein paarmal wie zur Beteuerung ihrer Schuld; »das Weib hat unseren Fidél gar nicht getötet; ich wußte das, denn sie fanden ihn heute in der Trinkgrube neben unserem Garten.«
Wulf Fedders schüttelte den Kopf. »Aber weshalb sind wir dann hier
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