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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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hinausgewandert?«
    »Es war eine Gesellschaft aus der Stadt«, entgegnete sie stockend; »sie wollten in unserer Wirtschaft vorfahren; ich sollte es an Sie bestellen.«
    »Und das wolltest du nicht?«
    »Nein, ich wollte es nicht.«
    »Und weshalb?« frug er gespannt.
    »Sie schwieg eine Weile; dann sah sie ihn fest mit ihren schwarzen Augensternen an und sagte: »Weil auch die blonde Dame mit in der Gesellschaft ist.«
    »Darum also; – die Tochter der Majorin meinst du?« Es klang plötzlich ein kühler Ton aus diesen Worten; die blonde Dame war auf einmal wieder in der Welt.
    Da Kätti keine Antwort gab, so schwiegen beide und gingen langsam nebeneinander auf dem Wege hin. Als sie sich dem Tore des Geheges näherten, hörten sie wieder die Geige aus dem Walde tönen. Kättis weiße Zähnchen gruben sich in ihre Lippe; aber Wulf Fedders schritt, als habe er nichts gehört, vorüber.
    »Wollen Sie nicht hineingehen?« sagte sie leise. »Sie treffen die Gesellschaft noch beisammen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ein andermal, Kätti.« – Und stumm wie vorhin gingen sie auf dem fast dunkeln Wege fort. Als sie das Dorf erreicht hatten, bogen sie von der Straße ab und schritten unten am Flußufer entlang. An der Felstreppe, die zur »Wald-und Wasserfreude« hinaufführte, blieb der Doktor stehen. »Gute Nacht, Kätti!«
    »Gute Nacht«, hauchte sie; sie gaben sich nicht die Hände; wie ein gescheuchter Vogel flog sie die Stufen hinauf, bis er sie oben in der Dämmerung verschwinden sah.
    – – An diesem Abend saß der Doktor noch lange auf dem großen Stein vor seiner Haustür und blickte auf den Fluß hinaus, der ruhig im Sternenlicht dahinzog; aber aus seinen Wellen wollte heute kein anmutiges Mädchenbild emporsteigen. Vor der nahen Wirklichkeit konnte das Spiel der Phantasie sich nicht entzünden; die nüchternen Gedanken hatten allein jetzt die Gewalt. – –
    Wulf Fedders war der Sohn eines höheren Beamten, den bei schon reiferer Jungfräulichkeit eine Dame alten Geschlechts geehelicht hatte; und es geschah wie meist in solchen Ehen: da die Frau nicht umhin konnte, ihres Mannes bürgerlichen Stand zu teilen, so suchte sie wenigstens von der früheren »Exklusivität« noch so viel festzuhalten, als ihre kleinen Hände es vermochten. Die damit durchsetzte Luft des Hauses war auf den Sohn, der seine Mutter nach Verdienst verehrte, nicht ohne Einfluß geblieben; trotz guten Willens wurde es ihm meistens schwer, ja fast unmöglich, den Menschen ohne Rücksicht auf seinen Ursprung oder die ihm angeborene Vergangenheit zu schätzen. So wollte er wohl gern ein bedeutender Rechtslehrer, ein großer Staatsmann werden; aber hätte er dafür der Sohn eines Stallknechts sein und die Jugend eines solchen Kindes als Vorleben mit in den Kauf nehmen müssen, er hätte sich doch sehr bedacht.
    Nun saß er in der Einsamkeit der Nacht, in sich erschrocken über die Vorgänge dieses Nachmittages, die mit zudringlicher Deutlichkeit vor seinen Augen standen. Nur Kätti selber hatte ihn zurückgehalten, sich ihr für immer zu geloben; und Wulf Fedders war nicht der Mann, eine deutlich eingegangene Verpflichtung nicht auch mit allen Opfern zu erfüllen. Aber der gefährliche Augenblick war vorüber und konnte niemals wiederkehren. »Hermann Tobias Zippels Schwiegersohn!« Er schüttelte sich ein wenig, wie einstens Kätti vor dem armen Unterlehrer; dann stand er langsam auf und ging in seine Kammer.
     
    An einem der nächsten Tage wurde Kätti von einem Glücksfalle betroffen, den sie freilich für den Augenblick wohl kaum zu schätzen wußte. Zufolge Testaments einer verstorbenen Patin wurde ihr nicht nur ein straffes Beutelchen mit silbernen und goldenen Schaumünzen eingehändigt, es war ihr außerdem eine nicht unansehnliche Summe ausgesetzt, welche zu Herrn Zippels Entrüstung nicht durch ihn als väterlichen Vormund, sondern durch eine dritte Person bis zu ihrer Mündigkeit verwaltet werden sollte.
    Und als wäre es noch nicht Glückes genug, so begann der Unterlehrer, der seit seiner erfolglosen Liebeswerbung fortgeblieben war, aufs neue in der »Wald- und Wasserfreude« einzukehren. Da er die sichere Aussicht auf einen guten Schuldienst in der Stadt hatte, so suchte er sich der Tochter des Hauses wiederum mit allerlei Gespräch zu nähern, wobei er allmählich ein ganz munteres und zuversichtliches Wesen angenommen hatte. Als Wulf Fedders einmal darüber zukam, war ihm im ersten Augenblick, als ob ein Dorftölpel in

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