Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
Vom Netzwerk:
anders: Wulf Fedders war der Schiffer, das blonde Mädchen lag in seinen Armen. Aber nur noch einen Augenblick, dann fuhr sie jäh empor. »Es lachte jemand!« rief sie und sah sich mit erschreckten Augen um.
    Der Doktor ließ sich nicht so leicht beirren. Aufs neue umschlang er seine Braut und küßte sie. »Du träumst«, sagte er zärtlich; »wir sind allein; wer sollte denn auch lachen, daß du mein geworden bist!«
    Aber ungesehen hinter der dunkeln Binsenwand war in diesem Augenblick ein verbleichendes junges Antlitz auf den Rand des Bootes hingesunken. – Das Abendrot überglänzte den Himmel und verging, der Tau versilberte das schwarze Haar des schönen Mädchenkopfes, und fern im lichten Blau des Äthers schimmerte der Stern der Liebe. Da erst richtete sich Kätti wieder auf. Lange blickte sie in den milden Glanz des ruhigen Gestirnes; dann betrachtete sie aufmerksam ihre Hände, ihre kleinen Füße; sie löste ihr schönes Haar und ließ es durch die Finger gleiten, bis sich plötzlich ihre Arme streckten und sie mit beiden Händen nach den Rudern griff. »Nur die Wirtstochter!« rief sie. »Die Tochter aus der Wald- und Wasserfreude!« Ein bitteres Lächeln flog um ihren Mund; vielleicht auch hat sie wieder laut gelacht; aber niemand hat es hören können, das Fahrzeug, welches die beiden Glücklichen trug, war längst den Strom hinab.
     
    Der Doktor hatte, wie er der Kühle wegen wohl zu tun pflegte, während dieser Nacht ein Fenster seines Wohnzimmers offengelassen. Als am andern Morgen sein Blick dahin fiel, gewahrte er auf der Fensterbank das französische Diktionär, das Kätti an jenem Morgen so eifrig mit sich fortgenommen hatte. Sie hatte es also schweigend ihm zurückgebracht und wollte es nun nicht mehr gebrauchen.
    Da er zögernd das vom Nachttau feuchte Buch in seine Hand nahm, fiel ein Zettel mit Kättis kleiner Schrift heraus:
    »Das Beutelchen mit den Gold- und Silbermünzen« – so hatte das rechtsunkundige Kind geschrieben – »nehme ich mit mir, und es braucht daher keiner meinethalben zu sorgen. Aber meine übrigen Erbgelder soll mein Vater haben; nur soll er davon Sträkelstrakel hundert Taler geben. Ich darf wohl hoffen, daß Sie dies für mich besorgen werden.«
    Und weiter nichts; der Name »Kätti« stand darunter.
    Bestürzt starrte Wulf Fedders auf diese Zeilen; das Lachen, das gestern seine schöne Braut erschreckt hatte, fiel ihm plötzlich schwer aufs Herz. Grübelnd sann er nach, ob er irgendeine Schuld an sich entdecken könne; aber er fand keine. Eine heftige Sehnsucht nach dem Mädchen wallte in ihm auf; aber er sagte sich mit Nachdruck, daß das nur Mitleid sei.
    Noch ein paar Augenblicke; dann ging er durch den Garten nach dem Haupthause hinauf, wo er Herrn Zippel, wie zur Reise gerüstet, mit Hut und Stock im Gastzimmer antraf. »Ist Kätti hier?« frug er hastig.
    »Kätti?« entgegnete Herr Zippel zerstreut. »Sie wird noch in den Federn liegen!«
    »Nein, nein! Sie ist fort!«
    »Fort?« Herr Zippel rannte aus der Tür und kam nach ein paar Augenblicken wieder. »Ja, ja! Ihr Bett ist unberührt! Aber weshalb? Warum?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Doktor mit etwas unsicherer Stimme; »aber lesen Sie das!«
    Herr Zippel nahm ihm den dargebotenen Zettel aus der Hand. »Hm, richtig! Richtig!« rief er, indem er mit ausgespreizten Fingern sich alle Haare in die Höhe zog. »Wieder die alte Dummheit! Aber wissen Sie, dies da mit dem Gelde, das ist eine neue! Auf das Gekritzel zahlt mir niemand auch nur einen Schilling. Nun, es schadet nichts; leben Sie wohl, Herr Doktor; ich will in die Stadt!«
    Der Doktor hielt ihn noch zurück. »Was wollen Sie dort? Wollen Sie es wieder in die Blätter setzen lassen?«

    »Wie meinen Sie das? Ja freilich wird es in die Blätter kommen! – Aber meine Kätti ist dennoch ein Genie; sie hat das rechte Teil erwählt; mit diesem Publikum ist nichts zu machen! Glauben Sie, daß die ›Wald- und Wasserfreude‹ existieren kann, wenn keine Gäste kommen? Oder glauben Sie es nicht?« Er sah ein paar Sekunden lang dem Doktor starr ins Angesicht, dann streckte er wie beschwörend seine Hand gegen das Fenster, durch welches man auf die Gartenanlagen und die Trümmer des neuen Wald- und Wiesenwasserbades sah. »Irgendein dummer Esel«, rief er, »welcher nach mir kommt, wird aus meinem Gedanken sich Dukaten prägen; das ist der Lauf der Welt! – Ich gehe aufs Gericht, um meine Insolvenz zu Protokoll zu geben!«
    Er erhob stolz den

Weitere Kostenlose Bücher