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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Abscheiden für die Sommerstube ihr Bildnis von des Herzogs Maler Jurian Ovens fertigen zu lassen. »Das gehört noch an die leere Stelle«, hatte er gesagt; »dann kann der Schlüssel abgezogen werden, wir sind dann alle wie in einer Gruft beisammen.«
    Die düsteren Worte hatten sie erschreckt, und sie hätte sich wohl lieber um eine andere Ursach malen lassen; aber des Vaters Wille mußte doch geschehen.
    Und das Bildnis wurde wie sie selber. Das Hoffräulein mochte ihr noch so oft das Kinn emporheben und lachend zu ihr sagen: »Du sollst nur wissen, was für besondere Schönheit an dir ist!« – die blauen Augen wußten nichts von dieser Schönheit und blickten nach wie vor, als bäten sie nur um Schutz in ihrer Einsamkeit.
    Daß sie als Braut nach ihrem stillen Herrenhaus zurückkehren sollte, hat sie wohl nicht gedacht; auch soll die muntere Base oft nachher gesprochen haben, sie habe den schwarzen Henne wohl gerne nicht genommen; sie hab nur nicht gewagt, ihm nein zu sagen, und da sie einmal ja gesagt, so sei sie viel zu gut und lang nicht klug genug gewesen, ihm wieder nein zu sagen.
     
    Als Herr Hennicke zu seiner Hochzeit über die Ziehbrücke in den Eekenhof einritt, war droben an der Wand des Saales, wo das Fest bereitet stand, die leere Stelle ausgefüllt, und die Gäste sahen mit Verwunderung bald auf die stille, in lichtes Gewand gekleidete Braut in ihrer Mitte, bald auf ihr Bild, das, ganz ihr gleichend, ein blühend Myrtenzweiglein in der Hand, aus dunklem Rahmen von der Wand herniederblickte und die Bilderreihe des zu Ende gehenden Geschlechts beschloß.
    Unter den Hochzeitsgästen ist von der Sippschaft der Braut nur die Base aus der Stadt gesehen worden; die Freundschaft des Bräutigams sind stolze herrische Männer gewesen, und Herr Hennicke hat mit ihnen getrunken und sich wenig um die Braut gekümmert.
    Als der Tag vorüber und dann alle, mit ihnen auch die lustige Base, den Eekenhof verlassen hatten, ist die junge Frau in Einsamkeit zurückgeblieben; denn ihr Eheherr, wenn er nicht zu Gelag und Spiel bei seinen Nachbaren war, hatte draußen genug zu tun, um, wie er sagte, ein richtig Regiment zu schaffen; die Pachtbauern sollten ganz anders jetzt den Säckel ziehen, der Schweiß der Hörigen ganz anders noch den Acker düngen. Den Vogt und das Gesinde sah er sich mit scharfen Augen an: die alten Diener, deren Knochen ihm nicht stark genug erschienen, hieß er gehen. Seines Weibes Fürbitte, wenn sie sich je und je hervorwagte, hat er mit hartem Wort zurückgeschreckt, daß sie mit scheuem Aufblick stumm geworden ist; und bald hat sie gezittert, wenn draußen auf der Treppe nur sein Schritt erscholl. Mitunter, wenn sie aus ihrer Wirtschaft über die Brücke hinausgegangen war, sei es, um drüben unter den Eichen ein Weilchen auf der kleinen Bank zu ruhen oder seitwärts durch das Hecktor ein paar Schritte in den Wald zu schlendern, dann ist es wie ein Traum auf sie gekommen, als sei vor Zeiten – und wenn sie nachgesonnen, gar noch nach ihres Vaters Tode – hier große heitere Gesellschaft um sie her gewesen, die diese Orte nun für alle Zeiten verlassen habe, und doch hat sie gewußt, es sei auch damals so einsam hier wie jetzt gewesen, und grübelnd ist sie in das stille Haus zurückgegangen.
    Dennoch, nachdem die Zeit verlaufen war, ist es gekommen, daß bei einem Gelage in der Nachbarschaft die Gäste auf die Ankunft des erwarteten Erben haben trinken wollen. Als aber ein alter Herr gemeint, man solle zunächst des jungen Weibes denken, daß sie die schwere Stunde glücklich überstehe, ist eine Gegenrede laut geworden: »Was Weib! Ein Weib ist ein zerbrechlich Ding! Stoßt an, wir wollen auf den Buben trinken.«
    Und als Herr Hennicke hierauf nur träg sein Glas erhoben, hat ihm ein anderer lachend zugerufen: »Du sinnst wohl, Hennicke, wenn du dein Weib mit einem Buben tauschen müßtest, wie lang du auf dem Hofe noch den Herrn zu spielen hättest? Ich will dir rechnen helfen; mit einundzwanzig Jahren sind die Junker mündig!«
    Der halb trunkene Gast mochte nicht weit vom Ziel getroffen haben; denn Herr Hennicke hat ihn drohend angesehen: »Schweig, Wulf! Ruf den Tod dir in dein eigen Haus!«
    Dann hat er im vollen Haufen angestoßen, daß das Glas zersprungen und der Wein verschüttet ist.
    Danach aber, wenn er je zuweilen das bleicher werdende Antlitz seines Weibes gesehen hat, sind jene Worte ihm allzeit wieder vor den Ohren und die weinroten Augen des, der sie gesprochen, vor dem

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