Werke
und Heilwig vor dem Ofenfeuer, und die spinnende Förstersfrau erzählte ihnen die Geschichten von den Bildern droben, soweit sie selber davon wußte. Im Sommer, zumal wenn draußen gar zu dumpfe Schwüle lagerte, gingen sie auch wohl nach dem kühlen Saal hinauf. Als einst die Schritte des Knaben gar zu hallend in dem stillen Raume tönten, legte Heilwig die Hand auf seinen Arm: »Du! du mußt leise gehen!«
– »Leise? Warum denn leise?«
»Ja, deine Mutter ist doch tot; und auch die andern, die hier abgebildet sind!«
Da tat er, wie sie sagte; und flüsternd gingen sie von einem Bild zum andern, bis vor dem Bilde von Detlevs Mutter ihr Gespräch verstummte.
An andern Tagen strichen sie miteinander durch den nahen Wald, und wenn der Durst sie überfiel, liefen sie zu einem Kätner, dessen kleines Heimwesen dicht am Waldesrand gelegen war. »Forthmann«, sagte dann wohl der Knabe, wenn er das Krüglein Milch aus dessen Hand an Heilwig reichte, »warte nur, du sollst zu deiner einen Kuh noch einmal zwei dazubekommen!« Und der arme Hörige antwortete: »Ja, ja, Herr Junker, Euer Großvater ist auch ein guter Mann gewesen.«
Mitunter redeten die Kinder gar ernsthaft miteinander; und einmal, da sie in einsamer Waldlichtung im Grase beisammensaßen, sagte Detlev: »Erzähl mir doch einmal von deinem Vater, Heilwig! Ist er denn niemals hier gewesen?«
Heilwig schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht«, sagte sie, »Großmutter spricht nicht gern von ihm; ich glaube, Detlev, er ist kein guter Mann gewesen; denn er hat meine Mutter verlassen, bevor ich noch geboren wurde, und sie ist dann darum gestorben.«
Der Knabe wurde nachdenklich; dann aber ergriff er die kleine Hand des Mädchens und flüsterte ihr zu: »Sag es zu keinem Menschen, Heilwig, auch nicht zum Informator; aber ich glaube, mein Vater ist auch kein guter Mann!«
Heilwig rührte sich nicht; und so saßen die Kinder in ihrer Einsamkeit noch lange schweigend Hand in Hand.
Ein paar Jahre waren dahingegangen; aber je höher die gegenseitige Anhänglichkeit der Kinder gestiegen war, desto tiefer hatte sich in Herrn Hennickes Brust der Groll gegen den Junker Detlev eingegraben, bei welchem jetzt allein sein Liebling vor der anderen Unbill Hülfe suchte. Und wenn er grübelnd den beiden Kindern nachschaute, so vermochte, trotz der Furcht vor dem Jähzorn ihres Eheherrn, Frau Benedikte sich kleiner Stachelreden nicht mehr völlig zu enthalten. »Was läufst du allzeit hinter dem flüggen Vogel!« sprach sie dann wohl, und es blitzte vergnüglich in ihren kleinen Augen; »sie hat doch den blonden Jungen lieber, so schwarz sie selber ist!« Oder ein andermal: »Es wird nicht anders, Hennicke; noch ein paar Jahre, so mußt du dir den Pastor suchen gehen, der das süße Pärchen trauen darf!«
Und eines Nachmittags nach solcher Aufreizung ist Herr Hennicke nach Eekenhof gekommen, wo in einer Waldkoppel die Leute im Heuen arbeiteten. Er ging aber nicht dahin, sondern trat in die Kammer der Förstersfrau, die hinter ihrem Rade saß.
»Wo ist Heilwig?« frug er.
»Sie ist um Erdbeeren mit dem Junker Detlev in den Wald gegangen.«
»Ihr solltet sie besser an Euch halten!« sprach er barsch.
Die Frau seufzte, und Herr Hennicke ging hinaus. Als er danach grollend und unschlüssig draußen über dem Hecktor des Waldes lehnte, vernahm er vor sich aus der Ferne das Lachen zweier junger Stimmen. Da rief er: »Heilwig! Detlev!« Aber es antwortete niemand; es wurde völlig still nach seinem Rufen. Dann, da er mit allen Sinnen horchte, kam auf seinen wiederholten Ruf noch einmal ein Geräusch; aber es war nur, wie wenn von Forteilenden die Büsche knickten.
Zornig ging er auf dem Waldwege fort, bis die Holzkoppel ihm zur Seite lag, wo unter dem Vogte die Leute in der Arbeit waren. Da hielt er an. »Vogt!« rief er, »hast du den Junker Detlev und die Heilwig hier gesehen?«
»Wohl, Herr!« Und er wies mit seinem Knüttel ein Stückchen aufwärts an den Waldesrand. »Sie sind dort nach des Forthmann Hause zu gelaufen. Soll ich sie holen, Herr?«
Herr Hennicke warf einen raschen Blick über die Schar der Arbeiter. »Wo ist der Forthmann?« frug er.
»Der ist erst morgen an der Reihe.«
Herr Hennicke hieß den Vogt zur Stelle bleiben; er selber aber schritt hastig über die Felder, bis er des Kätners Haus erreicht hatte. »Wo sind der Junker Detlev und die Heilwig?« frug er diesen, der eben einen Eimer Wasser aus seinem Brunnen aufgezogen hatte.
Der aber, als er
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