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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Stock aus dessen Hand gerissen und den Junker in das Angesicht geschlagen, daß das Blut hervorgeschossen ist.
    Keinen Laut hat dieser ausgestoßen; er ist ruhig stehengeblieben, bis sein Vater fortgeritten war. Aber nach Hause ist er nicht gekommen und auch später in dieser Gegend nicht mehr gesehen worden; nur auf dem Eekenhofe soll er desselbigen Abends noch gewesen sein.
    Der Sommer ist dahingegangen, ohne daß Heilwig nach Frau Benediktes Hof gekommen wäre; als aber Herr Hennicke eines Morgens nach Eekenhof geritten kam, ist sie schreiend vor ihm davongelaufen. Danach hätten die beiden Füchse am liebsten selbst den Kuckuck in ihr Nest geholt, denn es ist böse Zeit für sie gekommen. Und immer seltsamer ist Herr Hennicke in seinem Zorn geworden, daß seine Nachbarn sprachen, der schwarze Henne gehe nun die Straße nach dem Narrenhaus; aber es ist nur seine eigenwillige und trotzige Seele gewesen, die den Geboten Gottes sich nicht hat fügen wollen.
    Im Herbst desselben Jahres ist es gewesen, daß der Stier eines Bauern stößig wurde und Herrn Hennickes Lieblingshunde die Därme aus dem Leib gerissen hat, so daß das Tier daran verrecken mußte. Als ihm solches kundgeworden, hat er zuerst dem Bauern an Leib und Leben wollen; dann aber ist er anderen Sinnes geworden; er hat den Bullen greifen lassen und ihn zum Hungertod verurteilt.
    Vom Hofe aus führte eine Tür zu einem Gefängnis, für welches man in dem Unterbaue eines Treppentürmchens Platz gefunden hatte; statt der Strolche und Vaganten, denen sonst darin Quartier gegeben wurde, war jetzt der Stier dort in der leeren Zelle angekettet, zu der Herr Hennicke den Schlüssel in seiner eignen Tasche trug.
    Als es aber in die zweite Nacht gekommen war, ist ein solches Toben von der hungernden Kreatur gewesen, daß im Hause niemand den Schlaf hat finden können als etwa die beiden Junker Henno und Benno, die sich nur schnarchend umgeworfen, wenn das Stampfen und Gebrüll zu dröhnend durch die Mauern fuhr. Frau Benedikte selbst in all ihrer Hagerkeit hat aufrecht in den Kissen wach gesessen; mit jedem Notruf des gefangenen Tieres hat sie mehr Grimm und Ungeduld hinabgeschluckt; dann aber ist sie jählings nach ihres Eheherrn Bette zugesprungen, und da sie in der mondhellen Kammer sah, daß auch Herr Hennicke mit aufgestütztem Arm und offenen Augen dalag, so hat sie alles nun mit einem Male wider ihn gespien und verlangt, daß er den Bullen von der Kette löse. Er aber hat sich nicht gerührt und nur gesagt, sie solle ihre Kehle sparen, so werde sie es leichtlich noch dem Bullen abgewinnen.
    Frau Benedikte hat nun nichts weiter richten können; als aber am Morgen der Bauer, dem der Stier zu eigen war, sie gar um Fürwort bei dem Herrn angegangen, da hat sie ihn voll Zornes angeschrien, er möge damit nach dem Eekenhof zur Bastarddirne laufen.
    – – Am selben Nachmittage, als Herr Hennicke in der Gewehrkammer verdrossen seine Hakenbüchse putzte, trat zögernden Schrittes Heilwig zu ihm ein. Als er sie erblickte, schien sein schwarzes Auge licht zu werden; er streckte ihr die freie Hand entgegen, als wolle er nach einem Glücke greifen. Da sie dennoch scheu und schweigend an der Schwelle blieb, sprach er: »Weshalb kommst du nicht näher, Heilwig, da du doch gekommen bist?«
    Da trat sie näher zu ihm hin. »Herr Pate«, sprach sie, doch so leise, daß er sein Ohr zu ihrem Munde neigen mußte; »ich komme, ich wollte Euch um etwas bitten!«
    Wie eine Freudenbotschaft hat das Wort dem finsteren Manne geklungen; er warf sein Jagdgewehr beiseite und ergriff die beiden Hände des Mädchens. »Bitte nur, Heilwig!« sagte er, sie heftig schüttelnd; »du hast mich nie gebeten, nun mach’s gleich so, daß ich es fühlen kann!«
    Doch als sie darauf sprach: »Herr Pate, so lasset doch den armen Stier am Leben!«, da fuhr er auf und schrie: »Wer hat dich hergeschickt? Du redest mit Frau Benediktes Zunge!« Dann wieder, da das Kind ob seiner Heftigkeit in Tränen ausbrach, hat er sie plötzlich auf den Arm gehoben und ist mit ihr die Treppe nach dem Hof hinabgestürmt. Erst vor der Zelle, aus der das dröhnende Gebrüll hervorbrach, ließ er sie zur Erde. Als aber die Bohlentür geöffnet war und Heilwig, von den blutroten Augen des rasenden Tiers erschreckt, entfliehen wollte, hielt er sie fest und hieß einem Hofjungen ein Bündel Heu herbeiholen, so groß er es mit beiden Armen fassen könne. »Nun, Heilwig«, rief Herr Hennicke, als jetzt der Stier den duftigen

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