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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Haufen stampfend und schnaubend mit dem rauchenden Maul durchwühlte; »da hast du deinen Willen, nun aber sollst du für dich selber bitten!«
    Das jetzt zwölfjährige Mädchen, das nur mit Widerstreben festgehalten wurde, zuckte bei diesem Wort erschreckt zusammen; dann aber hob sie sich auf den Zehen zu dem großen Mann empor, und ihre blauen Augen glänzten plötzlich, nicht wie eines Kindes, sondern wie die Augen eines Weibes.
    »Sprich!« sagte er erwartungsvoll.
    Da sprach sie, aber es klang fast mehr wie zornig als wie bittend: »Herr Pate, so sollet Ihr den Junker Detlev wiederkommen lassen!«
    Herr Hennicke zuckte jäher noch zusammen als vorhin Heilwig; er antwortete nicht, er ließ nur die Hand des Mädchens fahren. Und so standen beide wortlos nebeneinander, bis das erneute Gebrüll des Tieres kundgab, daß auch das vorgeworfene Futter seinen Hunger noch nicht gestillt habe.
    – – Als es Winter wurde, kam eine Rede über den Junker Detlev, er sei von Lübeck aus mit einem Spanienfahrer als Schiffsjunge in die weite Welt gegangen; zugleich erhob sich das Gerücht, im Rittersaale auf Eekenhof steige wiederum das Bild aus seinem Rahmen, in hellen Nächten zeige sich die tote Frau am Fenster und schaue aus nach dem Verstoßenen.
    Als das zu Herrn Hennickes Ohren drang, ergrimmte er heftig und verschwor sich, er wolle dem verfluchten Spuk ein Ende machen. Mit blankem Jagdmesser, so heißt es, habe er vor dem Bilde gestanden, um es zu zerstören; aber die stillen Augen hätten ihn angeschaut, daß sein zum Stoße schon erhobener Arm herabgesunken sei.
    Nach diesem ist der Saal von keinem mehr betreten worden; wie einst der Letzte des Geschlechts es ausgesprochen hatte, die Bilder der Abgeschiedenen sind jetzt alle wie in einer Gruft beisammen gewesen. Nur wenn in Mondnächten sich die weite Himmelsferne öffnete, zumal wenn im Äquinoktium die Stürme tobten, soll jene nächtliche Erscheinung sich noch oftmals wiederholt haben.
    Die beiden Bewohnerinnen von Eekenhof hatten nichts davon gesehen; nur einmal, da sie nachts in ihrer Schlafkammer, welche unter dem Saale lag, vom Sturm erwachten, haben sie über sich ein Rauschen wie von Frauengewändern hören können und haben dann für den Junker Detlev und für die tote Frau ein still Gebet gesprochen.
     
    Manches Jahr war dahingegangen; längst war der Informator in das statt Ehrensoldes ihm verheißene Pfarramt eingetreten; in dem Hause auf Eekenhof wohnte eine halbblinde Greisin mit einer frisch erblühten Jungfrau, deren wehendes Kraushaar jetzt in schweren Flechten gefesselt lag. Nur zum Kirchgange an Sonn- und Feiertagen, oder wenn ihr Pate sie zu sich kommen hieß, und auch dann nur für kurze Stunden, verließ Heilwig die Großmutter und den einsamen Bezirk des Hofes. Doch wenn der Tag sich neigte, zumal im Frühjahr, wenn vom Norden her die Vogelschwärme zogen, schritt sie manchmal über die Landstraße nach einem jenseits belegenen Heidehügel und spähte in die Ferne, bis das Abendgold verglommen war. Mitunter, am Sonntagabend, kam der junge Pastor die Straße heraufgewandert; dann lief sie ihm entgegen, und sie gingen Hand in Hand über die Brücke und nach dem Hause zu der blinden Großmutter.
    Im Dorfe hieß es eine Zeitlang, der junge Pastor freie um das schwarze Mädchen auf Eekenhof. Allein sie irrten; er war es nicht, nach welchem das Mädchen in die Nacht hinaussah.
    – – Drüben in der Stadt, in einer Maienwoche, war wieder einmal Landgericht gehalten worden; sechs königliche Trompeter und ein herzoglicher Heerpauker, durch die Straßen reitend, hatten es verkündigt; und von allen Seiten war man herbeigekommen, sei es, um alten Streit zu schlichten oder um neue Rechte zu begründen.
    Auch Herr Hennicke war dort gewesen. Schon zuvor hatte er durch Zeugen dargetan, daß sein jetzt mündiger Sohn aus erster Ehe vor nunmehr fast zehn Jahren auf einem Lübischen Kauffahrer nach dem Mittelmeer das Land verlassen habe und daß von Schiff und Mannschaft später keine Kunde laut geworden sei; nun hatte er es so gut wie unter Brief und Siegel, daß der Junker Detlev als ein Verschollener durch Spruch des Landgerichts für tot erklärt und somit der Eekenhof des Vaters Erb und Eigen werde.
    Aber noch ein anderes wollte Herr Hennicke in der Stadt betreiben. Etwas war doch auf Erden, woran seine Seele hing; nicht etwa seine anderen Söhne, die beiden Füchse, welche jetzt schon gleich dem Vogte zwischen den Leibeigenen die Peitsche führten; es

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