Werke
Gegenwart ermutigt: »Der Kuckuck! Wir wollten nur den Kuckuck aus dem Neste schmeißen!«
Frau Benedikte stieß ein Lachen aus. »Die da?« rief sie. »Nicht wahr, Herr Hennicke, das ist kein Kuckuck? Ihr kraus Gefieder stammt von einem anderen Vogel; auch gäbest du gar gern wohl Weib und Kind, wenn du der Dirne Augen noch in einem andern Kopf erschauen könntest!« Sie streckte ihre hageren Finger nach dem Kinde, daß dieses sich erschrocken an ihres finsteren Paten Seite drängte.
Dieser aber hob die Kleine auf seinen Arm und wischte mit ihrem Schürzchen ihr die Tränen aus den Augen. »Wenn du das alles weißt, Frau Benedikte«, sprach er, »dann weißt du auch, weshalb der Vogel hier ins Nest gehört.«
Die Frau wollte ein hastig Wort erwidern; aber sie biß sich nur auf ihre bleichen Lippen, denn die Zornader lag dick auf ihres Mannes Stirn. So gingen die beiden schweigend mit einem Blick des Hasses auseinander: er mit dem schwarzen heimatlosen Vogel, sie mit den beiden roten Buben, die sich an ihre Röcke hingen.
Nach diesem, als die untersetzten Junker in die Länge schossen, ist ein armer candidatus reverendi ministerii als Informator in das Haus gekommen; denn da Herr Hennicke ihm die Nachfolge in den Dienst des greisen Pastors zu Eekenhof in Aussicht stellte, so ist er um ein billiges zu haben gewesen. Aber noch in späten Jahren, da er selber als emeritus in der müßigen Geschwätzigkeit des Alters hier umherwanderte, hat er des kein Ende finden können, was diese Schüler ihm für Not geschaffen haben. Hatte er sie eben zur Arbeit an ihre Lektionen fortgeschickt, so fand er sie statt dessen draußen auf dem Hofe oder in der nahen Sandgrube heftig an einem unnützen Werke arbeitend; kam er dann auch noch so hurtig mit der Haselgerte, so saßen sie zu seinem unaussprechlichen Erstaunen rittlings auf dem Scheunendach und machten, gleich Eulenspiegel, unehrerbietige Gebärden.
In einem jetzt noch in dem Kirchenarchiv des Eekenhofer Pastorats vorhandenen Exemplare von Henrici Müllers »Liebeskuß« sieht man auf dem Titelbilde neben den pausbackigen Engeln eine Anzahl kleiner ungefüger Säue mit Rötel hingezeichnet und dazu in kleinen steilen Zügen die vergilbte Randschrift: »Von den Herrn Junkern Henno und Benno more solito hinzugefüget.«
Aber auch seine Freuden hat der Kandidat gehabt; denn wöchentlich an zweien Nachmittagen ist er auf Herrn Hennickes Anordnung nach dem Eekenhof hinübergewandert, um auch an Heilwig Lektionen zu erteilen. Wenn er hier in seinem abgeschabten Mäntelchen aus dem Eichenschatten dem Hause zugeschritten ist, dann hat er, vergnüglich seine Hände reibend, vor sich hin gerufen: »O arboretum recreationis! Lustwäldlein, drin Erquickung weht!« Von der Treppe des Hauses ist ihm dann wohl ein Mädchen mit einem Büchlein in der Hand entgegengelaufen; sie hat sich rasch die schwarzen Löckchen fortgestrichen, die ihr beim Lesen in die Stirn gefallen waren, dann aber, bevor der Unterricht begann, dem guten Informator die Klettenbüschel und etwa auch den Fuchsschwanz von wildem Sauerampfer abgenommen, was alles seine männlichen Scholaren ihm zum Abschied auf den Weg gegeben hatten.
Der Kandidat sollte noch einen vierten Schüler erhalten.
Von dem Junker Detlev, seit ihn als Kind die Base in die Stadt genommen hatte, war in seiner Heimat weder etwas gesehen noch gehört worden; ja, in Frau Benediktes Hause wußten die beiden Füchse kaum, daß noch ein älterer Bruder da sei. Jetzt aber wurde ihnen solches, und dazu noch, daß dieser nächstens auf dem Hofe eintreffen werde, mit einem Mal verkündet. Denn die freigebige Base in der Stadt war trotz ihrer Munterkeit von einem jähen Tode angesprochen worden, und da sich keine zweite fand, so war es, nach einem diesmal von Frau Benedikte und Herrn Hennicke gleichmäßig gelösten Rechenexempel, das geratenste, den Buben heimzurufen und gleichfalls in des doch einmal vorhandenen Kandidaten Information zu geben.
– – Und eines Nachmittages im September, da auf Eekenhof die hohen Bäume im warmen Sonnengolde standen, ist von der Heerstraße ein blonder Knabe darauf zugewandert. Man hat ihn auf zwölf Jahre schätzen können; einen Schulranzen hat er auf dem Rücken und einen dicken Stab in seiner Hand gehabt. Als er auf die jetzt immer herabgelassene Zugbrücke getreten ist, hat er fester seinen Stab gefaßt, wie um den großen Hunden zu begegnen, welche derzeit aus den Herrensitzen mit Gebell den Ankommenden
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