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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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noch im Schwange sein mochte. Der volle blonde Bart floß lang herab auf einen dunkeln, mit Marderpelz verbrämten Mantel, an welchem das Halstuch von weißem Linnen mit goldener Spange festgeheftet war; dagegen erschien unter dem breiten Rand des Hutes das Haupthaar so kurz geschoren, wie es nur immer Frau Benedikte einst dem kleinen Junker Detlev zugedacht haben mochte.
    Als er sein Pferd einem herbeigerufenen Jungen übergeben hatte und nun die Freitreppe zum Hause hinaufschritt, wurden in einem Leibgurt unter seinem Mantel ein Paar Pistolen sichtbar, deren Schlösser nach der neuesten Erfindung und außerdem von besonders kunstvoller Arbeit zu sein schienen.
    In höflichen, aber knappen Worten frug er die auf dem Flur ihm entgegentretende Schloßfrau nach ihrem Eheherrn und wurde von dieser, während ihre Augen eine behende Musterung an ihm vollzogen, in das Oberhaus hinaufgewiesen.
    Droben, in einem sonst nicht benutzten Zimmer, saß Herr Hennicke schon seit dem frühen Morgen rechnend und vergleichend über den alten Papieren von Eekenhof; in der einen Hand die Feder, in der anderen den großen, seltsam geformten Doppelschlüssel, der dort alle Türen öffnete und schloß. Eben stützte er den Kopf, um von der ungewohnten Arbeit auszuruhen, und starrte mit heiterem Antlitz in den öden Raum, der außer ein paar wurmstichigen Archivschränken keine Ausstattung an den getünchten Wänden aufzuweisen hatte. In seinen Gedanken mochte er zwei Gräber vor sich sehen; auf dem schweren Leichenstein des einen eine hagere Frauengestalt mit fest geschlossenen Händen und darüber den Namen »Benedikte« eingemeißelt; das andere ohne Namen, fern überm Ozean, unfindbar von fremdem Kraut und Ranken überwuchert. Da pochte es an die Tür, und als er, auffahrend, das Willkommswort gerufen hatte, trat der Fremde zu ihm ein.
    Frau Benedikte war unten an dem Treppenaufgang stehengeblieben; aber sie mühte sich vergebens, zu erhorchen, was droben hinter der dicht verschlossenen Tür verhandelt wurde. Einmal freilich war ein Geräusch, als würde ein schwerer Stuhl erschüttert, wie wenn etwa die Lehne von unsicherer Hand umklammert würde. Danach aber vernahm sie nur den ruhigen Laut einer jungen Stimme, welcher die düstere ihres Eheherrn zu antworten schien. Schon war sie des vergeblichen Horchens müde, da wurde droben die Tür geöffnet, und sie hörte den jungen Kaufherrn, während er hinaustrat, sagen: »Prüfet nur, Ihr werdet alle Schriften und Sigille richtig finden; vor allem aber denket, wenn ich morgen wiederkehre, daß Ihr mit keinem Fremden unterhandeln sollt!«
    Ein Hustenanfall, den sie vergebens zu ersticken suchte, trieb Frau Benedikte von ihrem Posten; der Reiter aber, der schon gegen die Treppe zugeschritten war, zu welcher der Hausherr ihn nicht geleitet hatte, ging jetzt rasch hinab und unten über den Hausflur nach dem Hof hinaus. Als ein Windhauch seinen Mantel blähte, waren darunter in dem Leibgurt die kostbaren Pistolen nicht mehr sichtbar; irgend etwas, sei es ein bestehendes Verhältnis oder ein einst Geschehenes, mochte ihn veranlaßt haben, dieselben bei seiner Verhandlung mit dem Gutsherrn abzulegen und auch später nebst gewissen Schriften dort zu lassen. Seine Gedanken wie sein Pfad führten ihn nach einem alten einsamen Hause; vielleicht auch, daß er nach den eben verlaufenen Kriegszeiten die dort wohnenden Frauen zu erschrecken fürchtete, wenn er in Waffen zu ihnen einträte.
    Herr Hennicke aber in seinem Archivzimmer sah noch mit stumpfen Blicken auf die zurückgelassenen Papiere, als sich von draußen die Stiege herauf Frau Benediktes Hüsteln hören ließ. Sie hatte vom Fenster aus dem Fremden nachgespäht, sie hatte ihn im Hofe sein scheckiges Roß besteigen und dann durch das Torhaus auf die Heerstraße hinausreiten sehen; aber des Mannes Antlitz und Gewandung war ihr unbekannt geblieben. Nun trat sie atemlos zu ihrem Eheherrn in die Stube. »Rechnest du noch immer um dein neues Erbgut?« frug sie scharf.
    Er stieß ein Lachen aus. »Was willst du?« entgegnete er kurz.
    »Du hattest Besuch«, sprach sie; »sag doch, wer war’s denn?«
    Herr Hennicke sah sie mit düsteren Augen an. »Geh«, sagte er, »ich brauch hier keine Weiberzungen.«
    Aber sie forschte weiter: »War’s etwa einer von den Lübischen Stadtjunkern, bei denen du in der Kreide stehst? Mach dir auf meine Gülten keine Rechnung!«
    Herr Hennicke war aufgesprungen und tat einen dröhnenden Faustschlag auf den Tisch.

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