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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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fortgeschleudert.
    Heilwig hielt mit beiden Armen des Junkers Hals umklammert. »Detlev! Detlev!« raunte sie ihm zu. Er aber antwortete nicht; er hatte sich gebückt, und seine Hand griff suchend auf dem Fußboden umher. Als er die Waffe erfaßt hatte, die unter ihrem Sessel lag, und seine Finger an dem Schlosse rührten, zuckte er zusammen, und es schüttelte ihn wie Fieberfrost. Zugleich aber sprang er auf, und den Arm fest um sie legend, riß er Heilwig mit sich in die Kammer und weiter, nachdem er hastig aufgeschlossen, durch die Reihe der übrigen Kammern auf den Flur hinaus und hinab die Wendelstiege.
    »Wer war das?« rief sie, als beide atemlos im Unterhause angekommen waren. »Der wollte dich töten, Detlev!«
    »Ich weiß nicht; frag mich nicht, Heilwig; ich will jetzt nur eines wissen! – Aber meiner Mutter Erbe werde ich nimmermehr verlangen.«
    Er zog das Mädchen wieder mit sich fort, bis in die Schlafkammer der Großmutter, bis an das Bett der schlummernden Greisin.
    Sie hörten es nicht, wie draußen über der Zugbrücke eilige Schritte laut wurden, und sahen nicht die fliehende Gestalt, die jenseit derselben unter dem Schatten der Eichen in die Nacht verschwand.
     
    Herr Hennicke hatte recht behalten; der blonde Reiter ist nicht wieder auf den Hof gekommen, so emsig auch Frau Benedikte nach ihm ausgesehen. Mit ersterem selber aber mußte Seltsames geschehen sein; denn als, wie hergebracht, die Hausmagd mit der Morgensuppe an sein Bette kam, lag dort ein eisgrauer Mann mit eingesunkenem Antlitz; als sie aber mit Geschrei von dannen stürzen wollte, war es die Stimme ihres Herrn, welche die Närrin erst zurückrief und sie dann samt ihrer Suppe zu allen Teufeln schickte.
    Er hat aber wochenlang in der dumpfen Kammer fortgesessen, bis eines Morgens drüben aus dem Dorf zu Eekenhof das Turmgeläute hell herüberwehte, das man des dazwischenliegenden Waldes wegen nur selten hat vernehmen können. Da hat er aufgehorcht und den eben eintretenden Vogt gefragt, wer denn begraben würde. Als dieser ihm berichtet, es sei die alte Förstersfrau vom Eekenhof, hat er sich arg erbost, daß man ihm nichts davon vermeldet, dann aber plötzlich nur den Namen »Heilwig« ausgestoßen und befohlen, ihm sein Pferd zu satteln. Er ist jedoch nicht fortgeritten; der Hofjunge hat stundenlang das aufgezäumte Tier im Hofe umhergeführt, bis es endlich wieder abgesattelt werden mußte. Und ebenso erging es am anderen und am dritten Morgen.
    Danach aber eines Tages sah der Kätner Forthmann, welcher eine blanke Kuh am Seile führte, eine greise Reitergestalt über die Zugbrücke nach dem Eekenhof hinaufjagen und dort am Hause von dem Pferde steigen.
    Der Kätner schüttelte den Kopf; er konnte sich nicht denken, was der Mann dort suche, denn es wohnte niemand mehr darin; seine Grete war zu dreien Malen mit der Morgenmilch ans Haus gekommen; aber immer hatte sie vergebens an die ringsum verschlossenen Türen gepocht.
    Auch jetzt ist nichts Lebendiges zu spüren gewesen; selbst die schwarzen Krähen mußten auf Atzung fortgeflogen sein.
    Der Reiter aber hatte mit einem schweren Doppelschlüssel die Haupttüre aufgeschlossen. Vom Flur aus hat er die Räume des Unterbaus durchwandert; aber es ist nichts darin gewesen als nur das stumme Gerät, das einst den beiden Frauen zu ihrem einsamen Leben diente. Als er auf den Flur zurückgekehrt war, ist er vor der Treppe stillgestanden, als müsse er auch hier die Stiegen noch hinauf; er hat aber nur den Fuß auf die unterste Stufe gesetzt und mit heiserer Stimme einen Namen in das Oberhaus hineingerufen. Als ihm von dorther nur ein dumpfer Hall zurückgekommen, hat er, wie von jäher Furcht befallen, das Haus verlassen und ist vom Hofe fortgeritten; aber immer langsamer ist das Pferd gegangen, und immer zusammengesunkener ist die darauf sitzende Gestalt erschienen.
    Das alte Haus innerhalb des Ringgrabens lag wieder in seiner stillen Abgeschiedenheit; nur die Krähen, als es Abend wurde, kehrten zurück und lärmten eine Zeitlang, bevor sie sich zum Schlafe in die Eichenwipfel setzten.
     
    Herrn Hennickes Wünsche hatten sich erfüllt: der Junker Detlev war durch landgerichtlichen Spruch für tot erklärt worden; Frau Benedikte lag unter ihrem schweren Leichenstein. Aber Herr Hennicke ist ein gebrochener Mann gewesen. Die beiden Füchse, welche sich allmählich zu ein paar breitschulterigen geizigen Hagestolzen ausgewachsen, wirtschafteten emsig auf dem einen wie dem andern Hofe; sie

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