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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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sagte sie leichthin. Kaum aber hatte hinter dem Fortgehenden sich die Tür geschlossen, als sie schon in dem anstoßenden Zimmer an ihrem Schreibtische saß, über dem das Bildnis ihres Vaters in der roten Kammerherrnuniform auf sie herabsah.
    »Meine gute Margarete«... diese Worte waren mit fliegender Feder aufs Papier geworfen; denn jenes blonde Mädchen war kein bloßes Phantasiebild: es war die Tochter einer Jugendbekanntschaft, der Gattin eines Landpfarrers, in dessen Hause sie auf dem Wege nach Rudolfs amtlichem Wohnorte im Frühling eingekehrt und aufs dringendste zu längerer Wiederholung ihres Besuches nebst ihrem Sohne eingeladen war.
    Aber der rasch geschriebenen Anrede folgte zunächst nichts Weiteres; war es der Schreiberin doch, als habe plötzlich die Hand der hübschen Baroneß sich auf die ihrige gelegt. Langsam lehnte sie sich zurück; ein Strom erwünschter Bilder und Gedanken zog an ihr vorüber; gewiß, das übermütige, nur noch kurze Zeit von einem Vormunde abhängige Kind würde gar gern ihr Freifrauenkrönchen gegen den schlichteren Namen einer Frau von Schlitz vertauschen. Rudolf und dieses Mädchen! Sie hob sich unwillkürlich von ihrem Sessel; ihr war, als würden vor einem kerzenhellen Saal die Flügeltüren aufgerissen und sie schreite als Mutter neben dem prächtigen Paare hindurch. – Aber – der Doktor! Die stolze Frau sank düster in sich zusammen; der Doktor hatte ja nur ausgesprochen, was sie in ihren eigenen Gedanken längst auf und ab erwogen hatte. Ja, wenn das Letzte nicht gewesen wäre! Eine Angst vor der Zukunft, eine furchtbare Vorstellung überfiel sie. »Mein Sohn! Mein Kind!« Es kam wie ein lauter Aufschrei aus ihrer Brust; und als habe sie sich selbst aus einem Traum erweckt, blickte sie unsicher und mit großen Augen um sich: »Gott sei gelobt; er selber weiß es nicht, an welchem Abgrund er gestanden hat.«
    Bald hatte sie sich gefaßt; es mußte sein, es mußte gleich geschehen. Flüchtig streiften ihre Augen über das kalte Antlitz, das im Bilde auf sie herabsah; dann schrieb sie in kräftigen Zügen und mit Bedacht den Brief an die Frau Pastorin zu Ende.
    Seit drei Wochen waren Mutter und Sohn nun auf dem Dorfe; ein eigenes Quartier zwar hatten sie in der Küsterwohnung gefunden, im übrigen aber gehörten sie bei den gastfreien Pfarrersleuten fast wie zur Hausfamilie. Rudolf war sichtbar gekräftigt; seine Wangen hatten sich gebräunt, Aug und Ohr begannen wieder ein heiteres Begegnen mit allem, was er in Haus und Feld auf seinem Wege traf. Dazu hatte nicht nur die Gegenwart der anmutigen Pfarrerstochter, sondern fast nicht weniger das tüchtige Wesen des Pfarrers selbst geholfen, der es meisterlich verstand, was er »ein Schwachgefühl« zu nennen liebte, mit schelmischen Worten aus den geheimsten Winkeln aufzujagen. So war denn auch in den hell getünchten Zimmern des Pfarrhauses wenig davon zurückgeblieben ; nur die Frau Pastorin mochte sich wohl einmal, vielleicht zur Erholung von all der Kinder- und Küchenwirtschaft, eine sentimentale Anwandlung zu Gemüte führen, wobei sie dann ihren Redeschmuck den zwei einzigen Opern, welche sie in ihrem Leben gesehen hatte, dem »Freischütz« und der Weiglschen »Schweizerfamilie«, zu entlehnen pflegte. Wenn aber der Pfarrer nach einer Weile ruhigen Gewährenlassens wie in gutherziger Teilnahme sich ihrer Hand bemächtigte: »Mutter, ist heut wohl Emmelinentag?«, dann flog freilich ein Wölkchen leichten Mißbehagens über ihr braves Angesicht, bald aber mußte sie doch selber lachen und war wieder daheim in der Luft ihres werktätigen Hauses.
    Auch Rudolf mußte sich bald diese freundliche Überwachung gefallen lassen. Eines Nachmittags, als eben die Septembersonne ihr letztes Abendgold über die Wände des gemeinsamen Wohnzimmers warf, hatte er das alte Klavier zurückgeklappt und ließ nun eine der schwermütigen Notturnoklagen des von ihm vielgeliebten und – studierten Chopin in den sinkenden Tag hinausklingen. Der Pastor, durch das meisterhafte Spiel aus seiner Studierstube hervorgelockt, hatte sich leise hinter seinen Stuhl gestellt und verharrte so in aufmerksamem Lauschen bis ans Ende; dann aber legte er schweigend die Haydnsche G-Dur-Sonate mit dem Allegretto innocente aufs Pulpet, die er schon bei seinem Eintritt in der Hand gehalten hatte. Rudolf blickte auf und um, und da er den Pastor erkannte, nickte er gehorsam, schüttelte wie zur Ermunterung noch ein paarmal seine geschickten Hände, und bald

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