Werke
dem andern Paare an der Seite seiner hübschen redseligen Partnerin; seine Augen hingen an der schlanken Gestalt der Voranschreitenden, an der anmutigen Biegung ihres Nackens, über dem im Herbsthauche die goldblonden Härchen wehten, während ihr Antlitz sich in freundlicher Wechselrede dem jungen Landmann zuwandte. Eine brennende Sehnsucht ergriff ihn; ja, er konnte sich nicht verhehlen, ein Groll war in ihm aufgestiegen, er wußte nicht, ob nur gegen Bernhard oder ob auch gegen sie, die Schöne, Ungetreue selber.
»Was denken Sie doch einmal, Herr von Schlitz?« sagte plötzlich das muntere Mädchen, das an seiner Seite schritt. »Sollte nicht auch ein Bröcklein für mich dazwischen sein?«
Er sah sie flüchtig an. »Vielleicht«, erwiderte er langsam, »daß man Ihnen, Fräulein Julie, keine Brocken bieten dürfe.«
Sie lachte; sie hatte es längst heraus, daß sie ihm nicht die Rechte sei, und das Gespräch wandte sich in zierlich spitzen Reden weiter, die bald lebhaft hin und wider flogen. Als aber Anna jetzt den Kopf zurückwandte, da traf sie ein so leidenschaftlicher Blick aus Rudolfs Augen, daß ein helles Rot ihr über Stirn und Wangen schoß. Verwirrt, das Haar sich langsam von der Stirne streichend, blickte sie ihn an. »Ihnen ist doch wohl, Herr Rudolf?« frug sie stockend; die offenen Lippen schienen kaum zu wissen, was sie sprachen. Auch war die Frage, wenn nicht ohne Grund, doch jedenfalls zu früh gestellt; denn erst jetzt, wie von innerer Erschütterung, erblaßte das Gesicht des jungen Mannes.
Als aber statt seiner die muntere Freundin der Vorangehenden zurief: »Wen meinst du, Anna? Doch nicht Herrn von Schlitz? Dem ist sehr wohl; er mag nur seine Schätze nicht verschwenden!«, da hatte Rudolf es gewagt, sich nur noch tiefer in die blauen Augen zu versenken. »Sehr wohl!« sagte dann auch er, die beiden Worte leis betonend ; und das jungfräuliche Antlitz, das wie gebannt ihm stillgehalten hatte, lächelte und wandte sich zurück, und Rudolf sah noch einmal die tiefe Purpurglut es überströmen.
In träumerischer Hingebung lauschte er jetzt dem reinen Klange ihrer Stimme, wenn sie auf Bernhards Fragen über die soeben erreichte Holzung diesem jede Auskunft zu erteilen wußte.
Freilich wurde dieser Stimmung bald ein Dämpfer aufgesetzt; denn seine Hoffnung, auf dem Rückwege nun an Annas Seite zu gehen, wurde nicht erfüllt; geflissentlich, wie ihm nicht entgehen konnte, hatte sie sich zu Bernhards Schwester gesellt; ja, die beiden Mädchen enteilten ihnen bald völlig, wie sie angaben, um den gestrengen Herren die Abendmahlzeit anzurichten.
Einsilbig folgten diese; beide schienen ganz den eigenen Gedanken nachzuhängen; um der Mahlzeit willen hätten die Mädchen nicht zu eilen brauchen.
– – Nach dem Abendessen waren die auswärtigen Gäste fortgefahren, und auch Rudolf und seine Mutter, von Anna und dem Pfarrer vor die Haustür geleitet, nahmen Abschied und schritten durch die kühle Herbstnacht ihrer Wohnung zu. Schon hatten sie den kleinen Vorgarten des Küsterhauses betreten, als es der Mutter einfiel, daß sie eine notwendige Bestellung an die Frau Pastorin vergessen habe; aber vielleicht war es ja noch nicht zu spät, und Rudolf machte sich auf den Rückweg, um wo möglich das Versäumte nachzuholen.
Unter den Strohdächern der Bauernhäuser, welche an der Dorfstraße lagen, war schon alles dunkel, manche verschwanden ganz in dem Schatten ihrer alten Bäume; nichts regte sich als oben in der Höhe das stumme Blitzen des nächtlichen Septemberhimmels, und fernher, von drüben aus der Holzung, klang das Schreien eines Hirsches. So hatte Rudolf es in den Nächten nach seinem Amtsantritte in seiner einsam belegenen Försterwohnung auch gehört; nun war er lange fern gewesen; aber bald, schon in den nächsten Tagen, mußte er dahin zurück. Da es abermals vom Wald herüberscholl, schritt er rascher, als ob er dem entgehen wolle, in das Dorf hinab.
Als er den Hof des Pfarrhauses betrat, sah er, daß auch dort schon alle Fenster dunkel waren; nur Anna stand noch auf der Schwelle vor der Haustür, auf derselben Stelle, von welcher sie vorhin den Fortgehenden nachgeblickt hatte. Er konnte sie bei dem hellen Sternenschimmer leicht erkennen; auch daß ihre Augen gesenkt waren und daß ihr blondes Haupt sich wie zur Stütze an den Pfosten des Türgerüstes lehnte.
Beklommen blieb er stehen, das Glück war wie ein Schrecken über ihn gekommen: nur sie und er, wie in der Einsamkeit des
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