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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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weder Pläne noch Rechnungen dabei zugezogen. Mitunter stützte er den Kopf, und ein tiefes Stöhnen übertönte das einförmige Geräusch der rastlos fortschreibenden Feder; dann fuhr er wohl empor und blickte hastig um sich und wandte das Ohr nach der Richtung des vorhin verlassenen Schlafgemaches; aber nichts rührte sich in dem stillen Hause: Anna mußte von der gestrigen Reise sehr ermüdet sein, sogar die Magd schien sich heute zu verschlafen; und schon begann ein graues Morgendämmern vor den unverhangenen Fenstern.
    Endlich stand er auf, hob wiederum die Klappe des Pultes und legte das Geschriebene hinein. Aber es war ihm das nicht gleich gelungen, denn seine Hand zitterte jetzt so stark, daß er sie an dem eisernen Überfall des Schlosses blutig gestoßen hatte. Ein kurzes Bedenken noch; dann nahm er seine beste Kugelbüchse aus dem Gewehrschranke und lud sie sorgsam. Er hatte sie umgehangen und war schon aus der Tür getreten, als er noch einmal umkehrte. Auch die Jagdtasche nahm er noch vom Haken und hing sie behutsam über seine Schulter; vielleicht entsann er sich, daß vor dem Schlafengehen Annas Hände ihm das Frühstück für den angekündigten Morgengang bereitet und dahinein gesteckt hatten. Eine Weile noch stand er, die Finger um die Lehne eines Stuhles geklammert; dann ging er.
    Er ging über die Wiesen an dem Wald entlang; der Nebel stand noch dicht über den Feldern und zwischen den Bäumen; von den Zweigen fielen schwere Tropfen auf ihn herab. Als er in den durch die Holzung führenden Fahrweg eingebogen und eine Strecke darauf fortgegangen war, hörte er Schritte sich entgegenkommen, und bald auch erkannte er aus dem Nebel einen Mann, welcher, den Kopf voraus und mit den Armen mächtig um sich fechtend, eifrig vor sich hin redete, als ob er ein wichtiges Erzählen vor sich habe.
    Rudolf, der einen der Holzschläger erkannt hatte, wollte rasch vorübergehen; aber der andere hob jetzt den Kopf. »Ah so, der Herr Förster!« rief er, die Mütze herunterreißend. »Ich soll aufs Schloß zum Herrn Inspektor; ist wieder der Teufel los mit dem Klaus Peters; die andern kamen aber eben recht, daß wir ihn binden konnten!«
    Rudolf blieb stehen und starrte den Sprecher an; Klaus Peters war der junge Arbeiter, der als Ehemann aus dem Irrenhaus zurückgekehrt war.
    Der andere aber begann jetzt wieder sein Fechten mit den Armen. »Immer um die Kate herum, Herr Förster«, rief er, »und das, die Holzaxt in der Faust; und die Frau rannte vor ihm auf und schrie Zetermordio, daß wir’s in unsern Betten hören konnten! Es wird nicht helfen, der Herr Graf mögen nur recht weit den Beutel auftun, denn zum andernmal kommt er wohl nicht zurück, wenn sie ihn erst wieder sicher in der Anstalt haben.«
    Der alte Holzschläger, während er nach einem Endchen Rolltabak in seiner Tasche suchte, wartete vergebens auf eine Beifallsäußerung seines Vorgesetzten. »So, so?« sagte dieser endlich, ohne daß sich anderes als nur die Lippen an ihm zu regen schien; » ja, da muß zeitig Rat geschafft werden.«
    Dann wandte er sich plötzlich und schritt auf einem Seitenwege in den Wald hinein, wo er den Blicken des verwundert Nachschauenden bald entschwunden war.
    – – Kurz ehe dies im Walde geschah, hatte im Forsthause auch die junge Frau sich aus dem Schlaf erhoben; erschrocken, daß schon der graue Tag ins Fenster sah, warf sie rasch die Kleider über ; sie hatte ja noch an Bernhard schreiben wollen, ehe die Mama das Bett verließe. Als sie aber mit ihrem Schlüsselkörbchen auf den Flur hinaustrat, kam Frau von Schlitz ihr in fertigem Morgenanzug schon entgegen.
    »Mama!« rief Anna überrascht; »willkommen bei uns! Aber so früh? Sie müssen schlecht geschlafen haben?« Frau von Schlitz hatte freilich schlecht geschlafen ; es war nicht nur die Mißstimmung über die Abwesenheit des Ehepaars bei ihrer Ankunft; aber aus den Briefen beider hatte sie leicht herausgefunden, daß ihre Erwartungen von dieser Ehe sich keineswegs erfüllt hatten. Doch äußerte sie nichts dergleichen, sondern sagte nur: »Ich bin keine Langschläferin, mein Kind!« Aber Anna wurde fast verlegen unter dem strengen Blick, von welchem dieses Wort begleitet wurde. »Und wo ist denn mein Sohn?« begann Frau von Schlitz wieder. »Ich suchte ihn schon vergebens in euerem Wohnzimmer.«
    »Ich fürchte, Mama, er wird schon seinen Reviergang angetreten haben.«
    »Heute? Er wußte doch von meiner Ankunft?«
    »Gewiß; aber er hat wohl nicht gedacht,

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