Werke
Antlitz.
Der Oberst war stehengeblieben. »Und weshalb nicht?« frug er scharf.
Und der Wildmeister entgegnete ruhig: »Weil es das Erbe Ihres Sohnes ist.«
»Ja, freilich; doch ich bin der Vormund meines Sohnes.«
»Aber«, sagte der Alte, und in seiner Stimme war ein heimlich Beben, »Sie sind ein Fremder hier; doch Ihres Sohnes Ahnen, Jahrhunderte hinauf, schlafen dort unten in der Kapellengruft.«
»Da hat Er recht, Wildmeister«, entgegnete der andere verdrossen, »und der Großvater ist zum Glücke nicht dazwischen!«
»Herr Oberst!« rief der Alte mit seiner vollen Stimme und stand hoch aufgerichtet vor ihm; er war todtenblaß geworden, und ein Paar herrische Augen fielen so drohend auf den Oberst, als ob er ihn von Haus und Hof verjagen wollte.
Und eine Weile sahen sich die beiden an. »Wer ist Er eigentlich«, sprach der Hausherr, »daß Er also zu mir redet?«
Da schien der Alte seiner Sinne wieder Herr zu werden. »Ich bin um andere Dinge hergekommen«, sprach er nach einer Weile, »und bitte, daß Sie mich hören wollen!« Und auf des Herrn finsteres Nicken: »Hans Christoph ist gestern unten in der Stadt gewesen; der Magistrat hat dort beschlossen, den Hafen mit einem neuen Bollwerk einzufassen: ich dächte, das Eichenholz könnte wohl von hier dazu geliefert werden!« Und er begann dann, seine Pläne zu explizieren. Der Oberst, der erst zornig auf und ab gegangen war, stand endlich still und frug und hörete wieder. Ich aber beurlaubte mich und dachte wiederum der Worte meines Vetters.
Als aber die Lieferung des nöthigen Eichenholzes mit dem Magistrate abgeschlossen war, so ließ der Wildmeister Schneißen durch die Wälder hauen, da wo sie am dichtesten waren und das Raubwild seinen Unterschlupf bewahrete; denn solcherweis entstanden kleinere Vierkanten und war selbigem leichter beizukommen. Sodann im Herbste stellte er eine Treibjagd an; denn schon im Sommer hatte er die besten Hunde vom Hofe alle auf den Wolf dressieret, und die Dorfbursche, so im Wald gehauen hatten, waren derzeit bei einzelnen Jagden schon unterwiesen worden. Noch seh ich es vor meinen alten Augen! Der Herr Oberst, welcher dazumal seiner Gesundheit insonders froh war, ritt selber mit hinaus, und neben ihm der Junker Rolf auf einem feurigen arabischen Pferde; das war bläulich, mit weißem wehendem Schweif und Mähnen, und hatte der Vater es ihm kurz zuvor verehret. Es war sehr klug. »Gieb acht«, sagte der Junker manches Mal im Scherze, »nun wird’s bald sprechen!« und nannte es Falada nach dem Märlein.
Ich stand an jenem wonnigen Morgen des Augustmondes vor meinem offenen Fenster und sah, wie sie in das Heidethal hinabritten, von dessen Blüthe der Würzeduft zu mir hinaufstieg. Welch anmuthsvolles Bild, als im ersten Anlauf der Junker auf seinem federschnellen Roß dem Herrn Oberst weit vorüberschoß, dann aber leicht sein Thier sich wenden ließ und zierlich grüßend, sein Käpplein in der Hand, mit wehendem Goldhaar zu dem Vater wiederkehrte!
Ich aber, der ich nicht reite und nicht jage, blieb daheim; erst gegen Mittag ging ich vor dem Thorhaus draußen im Sonnenscheine auf und nieder, und allmählich scholl es mit Hallo, mit Pfeifen und Trommeln aus dem Walde; Hundegebell, Schüsse und Geheul klang durcheinander; und dann erst nachmittages kam hinter unseren beiden Reitern ein Wagen mit dem erlegten Wilde die Heide hinaufgefahren, redend und schreiend die Treiber mit den Hunden hinterdrein.
Mein Vetter war nicht Diaconus geworden, und vom Verkauf des Hofes hörte ich nichts mehr. Aber eines kam itzt, welches ich hier bemerken muß: die braune Abel, die sich auch gestrecket hatte, begann wie eine Katz um unseren Junker herzustreichen. Kreuzte er ihr den Weg, dann stand sie still, bis er vorüber war; so zwar, als ob sie keine Achtung von ihm nähme; denn sie wandte kaum den Kopf zu ihm; doch hab ich wohl gewahret, daß ihre dunkeln Augensterne bis in die äußersten Winkel ihres Auges drängten und ihm also heimlich folgeten; auch hatte sie itzt ob eine Blume oder einen Fetzen rothen Bandes sich an ihr braunes Haar geheftet und trachtete überall ihm zu begegnen.
Eines Abends im August, da alles Gesinde schon in den Betten lag, promenierte ich einsam, meiner fernen Mutter denkend, im Gärtlein hinter der Westseite des Hauses, das der Oberst schon zu Anfang seiner Ehe angeleget und gegen das grobe Raubzeug mit einer hohen Mauer hatte umschließen lassen. Die Singvögel waren schon zur Ruh gegangen; aber
Weitere Kostenlose Bücher