Werke
es fing bald an zu dämmern, und so wanderten wir nach St. Pauli und gingen nach dem »Trichter«, wo wir bald zwei steife Gläser vor uns dampfen ließen. Wir sprachen erst von alten Zeiten; dann aber erzählte Rick von seinem Kinde, nur von seinem Kinde: er lachte selber wie ein Kind, es war wie eine lachende Freude, wenn er nur ihren Namen nannte; ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß sie Anna hieß.
Als die Gläser leer waren, wollte ich aufstehen aber er hielt mich zurück und zog seine Uhr. »Noch nicht, John!« sagte er; »es ist erst zehn: sie schläft noch nicht.«
Ich verstand ihn wohl; und so tranken wir noch weiter, und es war nach elf, als wir davongingen.
Noch an ein paar anderen Abenden saßen wir dort, aber jedesmal ein Viertelstündchen länger; und auf meine zwei Gläser trank Rick allemal drei; ich sah soviel, er war schon satt von seinem Tugendmuster und schätzte sie am höchsten wenn sie schlief.
»Rick«, sagte ich, »nimm dich in acht, das dritte Glas, das ist des Teufels!« Aber er lachte: »Es ist nur ein Zeitvertreib, John; um ein paar Wochen ist mein Schiff wieder flott, und dann gibt’s wieder Arbeit und guten Schlaf!«
Am Tage darauf war meine Zeit in Hamburg abgelaufen; wir schüttelten uns die Hände, das Riekchen nickte sanft, und auch die kleine Anna gab mir ihr Patschchen und sagte kläglich: »De, Ohm Jiew!« Dann begleitete Rick mich auf mein Schiff.
Noch einmal nach ein paar Jahren – es war in der Kapstadt – habe ich Rick Geyers wiedergesehen; aber er war es nicht mehr selber, es war nur noch ein Trunkenbold, der unter seinem Namen umging. Ich dachte damals, das sei mein größtes Leid, das ich erlitten, und vielleicht auch ist es jetzt noch so; nur daß über einen Mann uns das Erbarmen nicht so bitter faßt... Aber ich will der Reihe nach erzählen.
Als ich an der Bai nach meinem Schiff hinuntertrabte, denn in der Nacht noch sollte ich die Anker lichten, sah ich einen Mann vor mir am Wasser stehen, der mich trübselig aus seinem gedunsenen Gesichte zu betrachten schien. Ich stutzte. »Rick«, rief ich, »du bist es, Rick! Was fehlt dir? Bist du krank? Du siehst sehr übel aus!«
Doch er schüttelte den Kopf und sagte schwerfällig: »Mir fehlt nichts, John. Bleibst du noch lange hier?«
»Nein, Rick: nur bis heut nacht, und ich muß noch wieder nach dem Gouvernementshaus. Aber sag mir schnell: wie geht es bei dir zu Hause, deiner Frau, deinem kleinen Engel? Kommst du bald wieder zu ihnen?«
»Ganz wohl, alles wohl!« Weiter antwortete er nicht; aber er seufzte tief, als ob er sie verloren hätte.
»Du fährst noch immer die ›Fortuna‹?« frug ich wieder.
»Ja, John, ich fahre sie noch ; wir sind erst gestern angekommen.«
»So lebe wohl, Rick! Ich habe leider keine Stunde mehr für dich; leb wohl!«
Ich ging, ganz vernichtet durch dies Wiedersehen. ›Er schämte sich‹, sprach ich zu mir selber; ›Rick Geyers, der beste aller Jungen, ist verloren.‹
Da fühlte ich mich plötzlich zurückgehalten: er war mir nachgelaufen; er lag in meinen Armen: »John, John, mein Freund! Noch einen Augenblick, wir sehen uns zum letzten Mal! «
Und als er mich in seiner alten Liebe ansah, da waren seine Augen wieder jung und schön. »Das nicht, das wolle Gott nicht, Rick!« rief ich; »aber auf ein baldig Wiedersehen in der Heimat, in deinem Hause und bei deiner kleinen Anna!«
Er wiegte langsam seinen Kopf. »Leb wohl, John Riew’«, sagte er, und leise, als ob auch hier es niemand hören dürfte, setzte er hinzu: »Und wenn du einmal heimkommst, dann frage nicht mehr nach Rick Geyers!«
Er riß sich los und war mir bald in einer Menschenmenge, die von der Stadt herkam, verschwunden. Das weiß ich noch, die heitere Sonne, die vom Himmel strahlte, hat mir damals wehgetan.
– – Nach ein paar Jahren – es war in Rio, und ich fuhr derzeit für eine Lübecker Firma das Schiff »Die alte Hanse« nahm ich einen deutschen Matrosen in Heuer, der krankheitshalber dort zurückgeblieben war. »Wo stammst du her?« frug ich.
»Mein Vater«, erwiderte er, »wohnt am Johannisbollwerk!«
»In Hamburg?«
»Ja, Kapitän.«
»So kennst du auch wohl Kapitän Rick Geyers?«
»Ja, Herr; ich bin ein Jahr als Leichtmatrose mit ihm gefahren ; aber – –«
»Was aber!«
»Er ist kein Kapitän mehr!«
»Hat er sich zur Ruh gesetzt? Er ist noch jung!«
Der Bursche schüttelte den Kopf: »Es ging nicht mehr!« Und er warf den Kopf zurück und machte mit der Hand die
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