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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Bewegung, als ob er ein Glas an den Mund setze. »Er fährt jetzt mit dem Blankeneser Postewer.«
    Ich nahm den jungen Menschen auf mein Schiff, aber ich hatte genug vom Fragen.
    – – Ein paar Jahre später kam ich denn doch wieder nach Hamburg; ich hatte Überdruß am Seefahren, und mein Kopf war leidlich grau geworden. Ich ging nach Ricks Hause; aber Rick lag draußen auf dem Petrikirchhof: er war eines Nachts über eine in Reparatur begriffene Fletbrücke gegangen und durch eine Öffnung in das Wasser und in den Tod gestürzt. Ich denke wohl, er war mit einem schweren Kopf gegangen, der ihn hinabgerissen hatte; aber – allen Gerechtigkeit!- seine Frau hat nie davon geredet; nur die Nachbaren und der alte Doktor Snittger haben es später mir bestätigt.
    Ich war inzwischen Makler geworden und mietete, nachdem ich mit meinem alten Herrn zu Lübeck ins reine gekommen war, die kleine Oberetage; schön war sie nicht, aber sie genügte, und Rick Geyers’ Weib und Kind kam es zugute. Ein halb Jahr darauf fand sich auch noch ein Schüler des Johanneums für die untere Stube rechts, und das waren Sie, Herr Nachbar; ich denke, wir haben uns, bis Sie zur Universität gingen, leidlich genug in dem engen Haus vertragen!
    Sie wissen, die Anna war damals schon ein gestrecktes Mädchen, nach dem wohl ein so junger Gesell, wie Sie es damals waren, sich einmal umschauen mochte!«
    Der Kapitän sah mich schelmisch an, und es mag wohl nicht gefehlt haben, daß ich rot geworden bin.
    »Du lieber Gott!« fuhr er dann fort, »wir wollen nicht darüber scherzen; aber ich darf wohl sagen, daß das Kind die Liebe zu seinem Vater auf dessen alten Freund übertragen hatte, und mir war oft, als sähe sie mich mit seinen jungen Augen an, wenn er wie oftmals! – – mich herzhaft auf die Schulter schlug und dann rief: ›Ja, John, du bist’s, auf den man sich verlassen kann!‹«
    Der Kapitän seufzte und schlug sich gegen die Stirn: »Das aber war zuviel gesprochen«, sagte er, »denn Dummheit ist auch eine arge Sünde! Ich plagte mich viel mit dem lustigen Mädchen; Sie haben es ja selbst gesehen, der Unband war mir lieb als wie mein eigen Blut, und wenn nach etwas ihr Gelüsten stand, Ohm Riew’ mußte allzeit Rat wissen. Das alte Riekchen hatte seine unschuldige Freude daran, und das Kind übernahm bald fast meine ganze Bedienung; Ihnen, Nachbar, blieb nur das alte Weib: ich habe manches Mal darüber lachen müssen; aber der Kaffee von der Anna hätte Ihnen doch noch besser geschmeckt!«
    Der Alte schwieg plötzlich und horchte nach oben hinauf. »Ja, der Junge schläft«, sagte er; dann trank er den kleinen Rest aus seinem Glase und machte sich daran, ein neues für sich zu mischen, denn der kleine Kessel sauste immerfort. Mir war, als ob ihm das Erzählen plötzlich widerstehe oder als ob er sich besinnen müsse, wie er fortzufahren habe.
    Aber er saß schon wieder auf seinem Platz, und ohne das dampfende Glas zu berühren, hub er aufs neue an: »Es sieht manches aus wie ein Kinderspaß; aber auch der Strauß hat erst in einem Ei gelegen! Sie wissen, Nachbar, es war meine alte Seemannsart, zwischen Nachmittag und Abend ein gutes Glas zu trinken, und was den Rum anlangt, so hatte ich allzeit was Echtes in meinem Schränkchen. Ich hatte die Anna gelehrt, nach meinem Maße mir das Glas zu mischen; aber wenn sie den Rum in das heiße Glas goß und nun der Dampf ihr in das feine Näschen stieg, dann begann sie ein Gehüstel, bog den Kopf zurück und machte allerlei Gesichter des Abscheues gegen mich.
    Ich lachte darüber und sagte: »Probier es nur!« oder: »Es wird dir doch noch schmecken!«
    Aber eines wie das andere Mal erwiderte sie: »Ich habe es schon geschmeckt, Ohm; es ist abscheulich!« und schob mit ausgestrecktem Arm das Glas mir zu.
    Es wurde allmählich eine stehende Neckerei zwischen der Jungen und dem Alten. »Du sollst doch noch probieren!« rief ich endlich; »ist das ein Koch, der nicht probieren kann?«
    »Ich bin kein Koch!« sagte sie schnippisch.
    »So bist du doch mein Mundschenk!«
    »Ich tu’s aber doch nicht!« rief sie und flog mir aus der Stube und die Treppe hinab.
    Ich alter Tor, ich muß jetzt denken, daß ihre Natur uns habe warnen wollen; aber ich ging wie mit verbundenen Augen.
    Nun war’s an meinem Geburtstage, und ich hatte, mir selber zur Festfreude, dem Kinde ein Dutzend Schnupftücher von einer Extra-Qualität geschenkt, da ich ihre Lust an feinem Linnenzeuge kannte. Und wirklich, sie leuchtete

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