Werke
Kapitän ; und was für Abenteuerlichkeiten habe ich nicht hinter Ihrem stillen Neubau wittern müssen, aber freilich...« Meine Augen fielen auf den Knaben, und ich schwieg.
Er hatte eben den kochenden Kessel nebst Flasche, Gläsern, und was sonst nötig war, vor uns hingestellt. »Dank, mein Junge«, sagte der Alte. »Aber nun geh mit deinem Licht in deine Koje; es ist Kinderbettzeit.«
Aber der Junge fiel ihm um den Hals und flüsterte ihm eifrig bittend in das Ohr.
»Nein, nein, Rick, heute nicht«, sagte der Alte; »der Herr kommt schon mal wieder, und früher, als die Hühner auf die Wiemen müssen.«
»Doch! doch!« rief der Knabe. »Ohm! Alter John, nur eine Viertelstunde!« Und er würgte ihn fast mit seinen Armen.
Da riß der Alte ihn heftig von sich und hielt ihn, nach des Knaben Gesicht zu urteilen, nicht eben sanft an beiden Handgelenken vor sich. »Kalkuliere«, sagte er im ruhigen Kommandoton, »du gehst jetzt augenblicklich in deine Koje!« Dann ließ er ihn los, und der Knabe nahm, ohne ein Wort zu sagen oder uns nur anzusehen, sein Licht und ging zur Tür hinaus ; ich hörte, wie er eine Treppe nach dem Oberhaus hinaufstieg.
John Riew’ zog jetzt die Gläser an sich und begann den heißen Trank für uns zu mischen ; als er aber die Flasche aufgezogen hatte, spürte ich an dem Duft, daß es Madeira oder Xeres sei, welchen er hineingoß. »Ei was, Kapitän«, sagte ich; »Sie trinken ja wie ich! Hat der Jamaika Sie jetzt verlassen?«
»Ich trinke ihn nicht mehr«, erwiderte er ernst; »doch wenn’s Ihnen lieber, es wird noch eine alte Flasche da sein.«
»Ich danke, es ist mir so eben recht. Aber Sie? Vertragen Sie ihn nicht mehr? Sie sehen doch aus, als hätten Sie zeitlebens zusammenhalten müssen!«
»Es wäre auch sonst wohl so gewesen; aber – seit der Junge da geboren, haben wir uns geschieden. Doch – Sie schwiegen vorhin ; jetzt ist frei Wasser, wonach wollten Sie denn fragen?«
»Nun, Kapitän, zunächst freilich nach dem Jungen! Waren Sie inzwischen verheiratet? Sind Sie Witwer? Ist der Junge Ihr eigen, oder wo haben Sie ihn aufgelesen? Und wie kommen Sie dazu, sich hier auf dem völlig trockenen Lande anzubauen?«
»Holla!« rief er dazwischen, »nun ist’s genug für einmal! Aber Sie erlebten mit mir den Anfang, so mögen Sie auch das Ende wissen!«
»Wenn ein Mensch zu viel Tugenden hat« – so begann er sein Gespinst, indem er mir eins der dampfenden Gläser zuschob –, »dann ist der Teufel allemal dahinter.«
Ich mochte wohl gelacht haben. »Nein, Nachbar«, fuhr er fort, »das ist die simple Wahrheit; es ist gegen die Natur des unvollkommenen Menschen, den unser Herrgott nun einmal so geschaffen hat; denn irgendwo in unsrem Blute sitzt er doch, und je dicker er mit Tugenden zugedeckt wird, desto eifriger bemüht er sich, die Hörner in die Höh zu kriegen. Ich hatte so einen Freund, Rick Geyers hieß der Junge, und wir fuhren auf einem Schiff; glaubt nicht, daß er ein Duckmäuser war, nein, im Gegenteil, ein wilder Kerl, aber dabei ein wahres Nest von Tugenden: seine halbe Heuer, solange sie noch lebte, schickte er an seine Mutter und saß und schrieb an sie, während wir an den festen Wall gingen und unsern Talern Flügel machten. Hatte ein armer Teufel Unheil angerichtet, Rick wollte an allem schuld sein; aber man glaubte ihm zuletzt nicht mehr, denn er verstand fast ohne Wind zu segeln, unser großmäuliger Kapitän ging selbst bei ihm zu Rathaus; und dabei war er ein halb Dutzend Jahre kürzer auf der Welt als ich. Vor den Weibern, wenn er einmal mit uns andern an Land war, konnte er sich kaum bergen; in Hongkong, da ist eine Gasse – freilich ehrbare Leute sollten dort nicht kommen –, Ihr hättet nur sehen sollen, als wir einmal mit ihm hindurchgingen, wie das niedliche schlitzäugige Gesindel um ihn herum war! Rick Geyers aber sah mit seinen großen braunen Augen über sie weg, und wenn sie zu dicht an ihn herantänzelten und ihre Locktöne machten, dann räumte er sie schweigend wie eine Schar von Ungeziefer mit den Armen von sich. Die Dirnchen – denn sie sind zart und gelenkig – schlenkerten ihre feinen Händchen gegen ihn und flogen mit Angstgekreisch an ihre Haustüren, wo sie ihm wieder mit den feinen Fingern winkten; uns andere plagte, by Jove, die Eifersucht. Rick aber ging stumm und zornig neben uns. »Ein andermal, wenn ich bitten darf, gehen wir nicht durch die Menagerie hier!« sagte er, als wir hindurch waren.
Und so dauerte es denn nicht
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