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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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lange, und er war Kapitän, als ich noch das Rad am Steuer drehen mußte. Aber Freunde blieben wir auf Not und Tod, und der Wind wechselte nicht allzuoft, da hatte ich auch mein Schiff; aber trafen wir uns am Wall, so waren wir gleich beisammen.
    Nun fand sich derzeit in Hamburg bei einer vornehmen alten Senatorstochter eine Art Mamsell, so gegen die Dreißig schon: Riekchen hieß sie und war ehrlich und zuverlässig, allzeit wie mit eben geplätteten Kleidern angezogen und, ganz egal, mit einer gelbblonden langen Locke hinter jedem Ohr. Sie konnte kochen und braten, sagte nie ein Wort entgegen und hatte niemals eine Meinung; die alte Dame behauptete, es gäbe auf der Welt keinen Mann für diese Perle, und wirklich, es begehrte sie auch keiner.
    Und das war das Schicksal, für Rick Geyers, mein ich; denn in dieses Unmuster von Tugend mußte der unselige Junge sich vergaffen, und noch mehr, er wollte sie heiraten und kaufte sich sogleich zum Schauplatz seines Eheglückes die Baracke, wo wir beide, Herr Nachbar, später einst gewohnt haben. Nun, Sie haben ja das Riekchen selbst noch gekannt. Ich packte den Rick eines Tages unter den Arm, ging mit ihm durch die Stadt und dann nach dem Stintfang hinauf, wo unten im Hafen seine stolze Brigg lag und die rot und weißen Wimpel im leichten Morgenwinde wehten. »Rick! Rick!« sagte ich, »besinne dich doch! Du bist verblendet, bete vierundzwanzig Vaterunser, und es wird vorübergehn! Was willst du das einfältige Tugendmensch heiraten? Du hast ja selbst die volle Ladung davon; unter soviel Tugend geht dein Schiff zugrunde! Kann’s nicht anders sein, so nimm dir eine schmucke wilde Katz, an der du deine Plage und doch auch dein Vergnügen hast! Was meinst du, Rick?«
    Aber er lüpfte nur den Hut, daß die Luft durch seine braunen Locken ging, und sah mich lachend aus seinen hellen Augen an. »Dank für deine Weisheit, John«, sagte er; »aber was einer muß, das kann nur einer wissen.«
    Da sah ich wohl, daß er weitab von aller Vernunft sei, und so hat er die Perle Riekchen zu seinem Unheil dann geheiratet. Aber ich sage Ihnen, Nachbar, auch derzeit, da sie jünger war – zehn Jahre auf einer Robinson-Insel!« Und der Kapitän spreizte abwehrend seine Hände vor sich. »Doch«, rief er dann wieder, »das Getränk nicht zu vergessen; God bless you, Sir!«
    – – Schon einigemal hatte ich ein Rühren an der Türklinke vernommen; jetzt, während wir mit den Gläsern anklirrten und tranken, sah ich, daß die Tür, der ich zugewandt saß, um einen schmalen Spalt geöffnet wurde.
    »Kapitän!« sagte ich, »es ist jemand vor der Stube.«
    Er wandte sich. »Das ist Rick!« sagte er. »Junge, warum schläfst du nicht?«
    Aber die Tür öffnete sich weiter. »So komm herein«, rief er, »wenn du was auf dem Herzen hast!«
    »Ich kann nicht«, kam es von der Tür; und ich gewahrte jetzt freilich, daß der arme Schelm barfuß und im blanken Hemde draußen stand.
    Da stieß der Alte einen Seufzer aus, erhob sich und schritt nach der Tür: »Nun, Rick, was willst du denn?«
    »Ohm«, sagte der Knabe leise und vor Kälte zitternd, doch so, daß ich’s verstehen konnte, »ich hab dir ja noch gar nicht gute Nacht gesagt!«
    »Und deshalb konntest du nicht schlafen?«
    Ich glaubte nur zu sehen, wie Rick stillschweigend mit dem Kopfe schüttelte. Und der Alte gab ihm einen herzhaften Schmatz: »Gute Nacht, mein Kind! Aber nun schlaf und bitt vorher unsern Herrgott, daß er dein weiches Herz allzeit bei deinem harten Kopfe lasse!«
    Da hörte ich, wie der Knabe behend die Treppen hinauflief; der Alte aber setzte sich langsam wieder an seinen Platz. Wir saßen eine Weile schweigend. »So ist er immer«, sagte er dann; »der Grund ist gut; ich dacht schon, daß er kommen würde.«
    »Und doch«, erwiderte ich – ich konnte es nicht zurückhalten – »haben Sie ihn neulich recht hart behandelt, Kapitän!«
    Er blickte mich an: »Sie meinen das mit dem Armenhause! Ja, ja, es mag auch so aussehen; aber er mußt einmal erfahren, wohin er ohne mich geraten würde.« Er trank einen Schluck und starrte vor sich hin. »Doch«, hub er wieder an, »ich wollte Ihnen von meinem alten Rick erzählen ; der Junge ist ja noch gar nicht auf der Welt.«
    Da fiel’s mir bei, ich frug: »Ist er der Sohn von Ihrem Freunde? Ich mein, es war doch nur das Mädchen da?«
    »Geduld, Nachbar«, sagte der Kapitän und legte seine Hand auf meinen Arm; »der Junge wird, leider, auch geboren werden; Ihr sollt alles

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