Werke
noch erfahren! Also – wie in den ersten Ehejahren von Rick Geyers der Seegang gewesen ist, das weiß ich nicht, denn ich war überall, nur nicht in Hamburg. Dann aber, in einem Junimonat, kam ich wieder heim und hörte, auch Rick sei dort, er habe Havarie gehabt; sein Schiff liege auf der Werfte, er selber warte in seinem Hause die Zeit ab. Wer war fröhlicher als ich! Ich konnt es nicht erwarten, bis ich bei ihm war. Als ich die Tür seiner Baracke aufstieß, by Jove, da standen die beiden Tugendmenschen schon auf dem Flur; aber freilich, allzu lustig sahen sie nicht aus. Einen Augenblick noch, dann fiel Rick mir um den Hals: »Hurra for John!« rief er; »gib ihm die Hand, Riekchen!« und mit einem wunderlichen Blick auf seine Frau: »Aber, nicht wahr, verteufelt elend sieht der Kapitän doch aus?«
Ich glaubte, er sei toll geworden, denn ich platzte derzeit vor Gesundheit.
»Meinst du, Rick?« sagte die Frau und nickte mir halb traurig zu ; »ja, so rote Backen sind oft nicht von den besten.«
»So?- meinst du?« rief Rick ingrimmig. »Ich meine das nicht. Sieht er nicht aus wie ein Berserker?«
Die Frau gab mir die Hand. »Freuen wir uns«, sagte sie, »daß Sie so gesund wieder ans Land gekommen sind!«
Ich dankte ihr; Rick aber warf seine kurze Pfeife, die er in der Hand hielt, gegen die Wand, daß der Porzellankopf in hundert Stücken über die Fliesen flog, und ich hörte, wie er mit den Zähnen knirschte.
»O Rick!« rief die Frau ; »der schöne Pfeifenkopf, das hättest du nicht tun sollen!«
»Endlich! Danke, Riekchen!« sagte er, und ich sah, wie er ihr voll Hohn die Hand preßte; »aber freilich, Scherben müssen erst gemacht werden!«
Dann gingen wir in die Wohnstube, während das Weib, als wäre nichts geschehen, die Porzellanbrocken auf dem Flur zusammensuchte.
»Nimm dich in acht, Rick«, sagte ich, »daß dein Teufel nicht die Hörner hoch kriegt!«
Aber er stieß ein Lachen aus, so fröhlich, als hätt ich ihn nur mit dem Kinder-Bußemann erschrecken wollen. »Komm«, sagte er und zog mich in die Schlafstube nebenan, »du weißt noch nicht, daß ich einen Engel in der Wirtschaft habe!«
Wir waren an sein Ehebett getreten, von dem er jetzt das schwere Deckbett zurückschlug. »Nun, John Riewe?« rief er triumphierend.
Und freilich, da lag- ich dacht im selben Augenblick: ein Engel, aber es war doch nur ein schönes Kind, im tiefen Schlaf; ein Mädchen von kaum zwei Jahren wohl. Die eine Wange hatte es gegen sein Fäustlein gedrückt, über das die braunen Haare fielen; es war fast nackt, denn das Hemdlein hatte sich über die Brust hinaufgeschoben, und es glühte gleich einem Christkind wie von innerem Rosenlichte.
»Nun, John?« sagte Rick wieder, »du schweigst? Ja, Alter, dem müssen alle Teufel weichen!«
Und mit demselben schlug das Kind seine dunkeln Augen auf, und die Ärmchen nach dem Vater streckend, rief es: »Papa, mein Papa!«
Da riß Rick es ungestüm aus den Kissen und preßte das schöne Ding an sein Herz und küßte es vielmal und flüsterte ihm heimliche Worte in sein Ohr, so leise, daß ich nichts davon verstand. Ich sah es wohl, sein Herz war voll, und was er seinem Weib nicht geben konnte, das verschwendete er an das unvernünftige kleine Wesen.
Und doch, Nachbar, in späteren Jahren, und auch jetzt noch kommt es mir oftmals, es habe derzeit das Kind ihn dennoch wohl verstanden und sei nichts davon verlorengegangen.
– – Am andern Tage kam ich nach dem Abendbrote zu ihm. Er saß am Stubenfenster mit untergeschlagenen Armen und schaute auf die enge stille Gasse; das Riekchen hatte ich bei meinem Eintritt in der Küche rumoren hören.
»Nun, Rick«, rief ich, »was fängst du für Mäuse?«
»Ich fange gar nichts, John«, sagte er.
»Warum hast du denn deinen Engel nicht bei dir?«
»Das ist’s, John; der schläft allezeit von jetzt bis übers Morgenrot; aber für mich ist’s noch nicht Schlafenszeit.«
»So gehen wir ein Stück am Hafen!« sagte ich. »Du bist noch nicht auf meinem Schiff gewesen.«
Er schien eine solche Aufforderung nur erwartet zu haben, denn er sprang sogleich auf und riß seinen Hut vom Türhaken.
»Gehst du aus, Rick?« frug die Stimme seiner Frau, als wir durch den Flur gingen, und ihr geduldiges Haupt erschien aus der Küchentür.
»Ja, Riekchen; ich nehme den Schlüssel mit; wirst du müde, so schließe mit dem andern zu!«
Sie nickte: »Gute Nacht, Rick! Gute Nacht, Kapitän Riewe!«
Wir gingen noch auf mein Schiff; aber
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