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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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vor Freude, als sie zur Mutter lief und ihr die schöne Ware zeigte; und über ein kleines saß sie auch schon am Fenster, um ihr kunstvolles Monogramm hineinzusticken. »Mein Ohm!« rief sie mir zu ; »ich tu dir alles zu Gefallen!«
    »Das ist schon mein Gefallen«, sagte ich, »daß du dich freust.«
    »Nein, noch was anderes, Ohm!« Sie sah mich geheimnisvoll mit ihren dunkeln Augen an und stickte weiter an ihren Monogrammen.
    Abends brachte sie mir, wie gewöhnlich, das Kesselchen mit heißem Wasser auf mein Zimmer; sie nickte mir zu, und als es kochte, begann sie mir mein Glas zu mischen. Sie tat das wie in Freude zitternd und doch so feierlich, als solle sie ein Opfer bringen. Dann hielt sie das dampfende Glas hoch vor ihrem Angesicht. »Ohm«, sagte sie, indem sie auf mich zutrat, »mein Ohm, mögst du noch vielmal diesen Tag erleben!« Der herzlichste Strahl, den meine arme Seele je getrunken, flog aus ihren Kinderaugen in die meinen. Dann setzte sie das Glas an ihren Mund und tat einen starken Zug daraus.
    Aber es war zuviel gewesen, was sie sich zugemutet hatte: wie im Krampf spien die jungen Lippen den scharfen Trank hinaus, und das Glas fiel aus ihrer Hand zu Boden, daß der Inhalt und die Scherben umherflogen ; dann stürzte sie in den Alkoven, an meinen Waschtisch ; ich hörte, wie sie Wasser in ein Glas goß, ein- und zweimal, und wie sie gurgelte und sprudelte, als gelte es, einen Gifttrank wegzuspülen.
    Ich ging ihr nach; da fiel sie mir um den Hals: »Ohm, mein süßer Ohm... ich konnte nicht dafür... verzeih mir, sei nicht bös!«
    Das Kind war außer sich ; dennoch wollte sie mir ein neues Glas bereiten, aber ich litt es nicht, ich nahm sie auf meinen Schoß: »Sei ruhig, Anna, du weißt es ja; wir beide können einander gar nicht böse sein!«
    Da preßte sie meinen Hals mit ihren Armen, als ob sie mich ersticken wollte: »Du bist gut, mein Ohm; ich weiß es, du bist gut!« Und dann weinte sie sich noch ein braves Stückchen.
    Aber auch das, Nachbar, öffnete mir nicht meinen vernagelten Verstandeskasten. Am andern Abend kam sie wieder mit ihrem Kesselchen. »Zünd nur die Lampe an«, sagte ich ; »hernach mach ich mir’s schon selber.«
    Ich wollt, Sie hätten ihr bittend Angesicht gesehen. »Laß mich, Ohm!« sagte sie. »Ich weiß, ich kann es heute.«
    Ich wollte es dennoch wehren, aber jetzt stampfte sie mit ihrem Füßchen: »Ich muß aber, Ohm; das ärgert mich, das von gestern!«
    So litt ich’s denn, und als sie ihr: »Zur Gesundheit!« sprach und dann ein Schlückchen aus dem Glase trank, hielt sie den Atem an und Mund und Augen gewaltsam offen; aber, ich sah es wohl, ein paar Tränen sprangen doch heraus. Bald danach sind Sie ins Haus gezogen, und – Sie haben es ja selbst gesehen, wie zierlich sie uns zu kredenzen wußte. Gott verzeihe mir! Das Kind steuerte backbord, aber ich hätte steuerbord halten sollen.
    – – Im Winter, nachdem Sie fort waren, suchte mein Lübecker Reeder mich wiederum zu ködern; der schlaue Alte hatte es heraus, daß ich zu früh mich landfest gemacht hatte; er meinte, ich könnte wohl noch ein paar Jahre wieder laden und löschen. Von dem Dazwischen sprach er nicht; aber er bot mir ein neugebautes Vollschiff und einen Part darin. Mir gefiel das schon; aber was sollte dann aus Riekchen Geyers und meiner Anna werden? Denn auch Ihr Quartier im Unterhause stand unvermietet. Da, als ich eines Tages in der Januarsonne mit Anna über den Gänsemarkt promenierte, blieb sie vor einem Weißwarengeschäft stehen und betrachtete begierig die Sauberkeiten, die hier alle in dem Ladenfenster ausgelegt waren. Ich wollte ungeduldig werden; aber sie hatte trotzdem immer ihren Finger noch nach etwas Neuem. Auf einmal kam mir die Erleuchtung. »Komm«, sagte ich, »was meinst du, wenn ihr selber solchen Laden hättet?«
    Sie wurde schier dunkelrot vor Freude; aber gleich darauf sagte sie traurig, ihr dunkles Köpfchen schüttelnd: »Das ist ja nicht möglich, Ohm!«
    »Nicht möglich, Anna? Aber was meinst du, wenn dein Ohm es dennoch möglich macht! Komm nur, wir wollen gleich zu Hause, und Mutter soll ihren Segen geben!«
    By Jove, ich hatte Not, daß sie mir nicht vor allen Leuten um den Hals fiel.
    Und so kam es denn in Ordnung. Freilich, mein Maklerverdienst ging so zirka wohl darauf; aber wen hatte ich denn sonst, für den ich sorgen konnte! Die Stube rechts, wo Sie Ihre Lateiner studiert hatten, wurde zum Laden umgewandelt; die Einkäufe waren schon gemacht,

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