Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
Vom Netzwerk:
aber schlank; ein zierliches Stutznäschen und über der Stirn, nicht was die Frauenzimmer Simpelfransen nennen, nur so die feinen Stirnlocken, die mit dem Kamm nicht mehr zu bändigen waren; und vor der Brust hing ihr ein sauber Spitzentuch.
    Ich zog sehr höflich meinen Hut und wußte nicht, war das feine Ding sie oder war’s nur eine fremde Jungfer? Freilich, so auf Siebzehn schien auch die zu stimmen, die mich da mit ihren großen braunen Augen ansah; aber ich war doch nicht auf Nummer Sicher und sagte lieber vorsichtig: »Guten Abend; wär Frau Geyers wohl zu sprechen?« – »Guten Abend«, sagte sie – und mir war’s, als ob sie innerlich lache –, »treten Sie nur näher!« – Aber ich kehrte mich zu ihr. »Um Verzeihung, liebes Kind«, sagte ich, »wie heißen Sie denn?« Sie neigte den Kopf, daß ich vom Gesicht nur noch die Stirnlöckchen sehen konnte, und sagte: »An-na!«
    Sie sagte das so eindringlich, so very engaging; es sang ordentlich was in den beiden Silben, und wieder auch, als wär ein Mädchenlachen noch dahinter.
    Dann aber, als Frau Riekchen jetzt aus der Stube trat, da lachte sie wirklich und warf den Kopf empor. »Mutter«, rief sie jubelnd, »da ist Onkel Riew’, und er kennt mich nicht mehr!« Und sie flog mir an den Hals, die junge Katze! In mir aber rief es: »Land, Land! Nicht nochmals auf die Planken!«
    Ich wohnte schon wieder oben in meinem alten Quartier und hatte aus Lübeck und vom Schiff schon meine Sachen um mich. Es war fast wie früher, nur daß, weil die Frauen anderes zu tun hatten, eine kleine Magd mich jetzt bediente und ich abends meist mein Glas im Kaiserhofe trank. Da fielen die goldenen Berlocks mir eines Vormittags in die Hand, die ich noch immer abzuliefern hatte, und ich machte mich sogleich jetzt auf den Weg.
    Als ich eintrat, fand ich im Zimmer nur die beiden Mädchen, die vor einem Tische emsig an großen bunten Lappen nähten da ich aber mein Gewerbe anbrachte und die Goldklümpchen in ihre Hände legte, by Jove, da ging das Gejammer los: »Ach der Herzensbruder, o mein Peter, Peter!«
    Wisset, Herr Doktor, ich kann die Frauenzimmertränen nicht leiden, denn sie machen mich boshaft, was ich von Natur nicht bin; aber so wie eine wilde Gans aus der Tür rennen, das war doch auch nicht schicklich; ich blieb also vorderhand noch sitzen. Da öffnete sich die Tür, und eine alte Näherin trat herein, die mir von früher wohlbekannt war. Sie hatte wieder solchen Lappen in der Hand, wie die hier drinnen, es mußte also miteinander wohl ein Kleid ausmachen; auch paßten sie es zusammen und strichen es sich an Hals und Schultern. Als die Alte fortgegangen war, dachte ich für die Anna ein Wort einzulegen und sagte: »Ist das Ihre Näherin? Die könnten Sie ein Pfundsmaß hübscher haben! Ich meinte, daß die Anna Geyers bei Ihnen nähte?«
    »Ja«, sagte die Älteste und wischte sich den Tränenrest von ihren Backen, »die ist freilich hübscher.«
    – »Steht Ihnen das Mädchen denn nicht an?«
    »Oh – wir haben sie ja schon gehabt.«
    »Und Sie wollen sie nicht wieder haben? Das tut mir leid, sie ist so halbwege ja mein Ziehkind.«
    »Ja; aber...« Sie bückte sich über ihre Näherei und kam nicht an Bord mit ihrem Satze.
    – »Schießen Sie los, Mamsellchen!« sagte ich. »Helles Feuer ist das beste. Die Anna soll doch ihre Arbeit gut verstehen; hat sie gestohlen, oder wo steckt denn sonst der Fehler?«
    »Nun, Herr Riew’«, sagte die Jüngere und luvte mich mit ihren kleinen unverschämten Augen an; »gestohlen nun wohl nicht; es ist nur eins!«
    Die Ältere winkte ihr zu und schüttelte den Kopf, aber das schwarze Ding ließ sich nicht übersegeln: »Ich will es Ihnen sagen, Herr Riew’, sie hat für uns zu vornehme Bekanntschaften; wir sind ehrliche Bürgermädchen, mit Grafen und Posamentiergesellen haben wir nicht gern zu tun, auch nicht mal durch die dritte Hand! Und das noch nicht allein!«
    »Liebes Mamsellchen«, sagte ich, da sie innehielt, »sparen Sie die Worte nicht; ich bin bereit zu hören.«
    Hierauf, während die Ältere sittsam auf ihre Arbeit sah, rückte das beredte Mädchen sich einen Schemel unter die Füße und setzte sich ordentlich in Positur. »Es war im vorigen Herbste, Kapitän Riew’«, sagte sie, »und die Zentralhalle war eben eröffnet; man konnte in Familie an kleinen Tischen sitzen, seinen Tee oder eine Tasse Schokolade trinken und dabei eine Komödie, oder was es sonst denn gab, mit ansehen, und die Kosten waren auch

Weitere Kostenlose Bücher