Werke
eigenes Geschick, und was an Freude einmal hinzukommt, nimmt dessen Farbe an!«
»Ja, ja, ich weiß«, erwiderte sie, plötzlich still werdend, »Sie haben Ihre Frau so sehr geliebt und haben sie verloren!«
»Es war die Krankheit Ihrer Mutter«, fügte ich hinzu; »ich vermochte sie nicht zu retten« – – nur zu töten! hätte ich fast hinzugesetzt, denn mich überkam ein fast unabweisbarer Drang, diesem jungen Wesen meine Seele preiszugeben, ihr alles, was mich zu Boden drückte, bloßzulegen, so wie ich es heute vor dir getan habe. – Aber ich bezwang mich; sie hätte darunter zusammenbrechen müssen.
Die Augen voll Tränen, mir beide Hände hingegeben, stand sie vor mir. »Es tut mir so leid, daß Sie nicht froh sein können«, stammelte sie endlich.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich danke Ihnen, Hilda!« sagte ich; dann ging ich fort. Ich habe sie seitdem nicht wiedergesehen.
– – Am Abend saß ich bei den Freunden Lenthes, und wie so oft, wandte sich das Gespräch darauf, wie meinem unverhehlbar trüben Zustand wiederaufzuhelfen sei. »Täusche dich nicht, Franz«, sagte der Freund, »als ob die Begier nach Leben in dir erloschen wäre; du mußt trotz alledem wieder heiraten und dein Haus aufs neue bauen!«
»Ich bin zu alt geworden, Wilm«, erwiderte ich abwehrend.
– »Ei was! Du hast nur deine Jugend mit Kirchhofsrasen zugedeckt; wenn du ein Weib hast, tragt ihr sie miteinander wieder ab!«
»Am Ende«, sagte ich wie scherzend, »habt ihr meine Künftige schon hinter einem Vorhang? Wer sollte mich denn heiraten?«
Frau Käthe sah mich halb schelmisch, halb zaghaft an. »Hilda Roden?« frug sie leise. »Oder hab ich fehlgeraten?«
Es durchfuhr mich doch. »Was wissen Sie von Hilda Roden?« rief ich.
»Oh«, erwiderte sie schon mutiger, »ich weiß von ihr; Sie würden keinen Korb bekommen, und sie ist gut, die Hilda!«
Und Lenthe nickte dazu. »Überhör nicht, was die weise Frau dir rät!« sagte er lächelnd.
Ich aber dachte: ›Jetzt wird es Zeit zu gehen!‹ – Laut sagte ich: »Ich überhör es nicht und will tun, was danach geschehen muß. Jetzt aber – reden wir von andern Dingen!«
Bereits am anderen Tage sandte ich meinen Assistenten zur Etatsrätin, bei der übrigens ein täglicher Besuch schon kaum mehr nötig war. Die junge hübsche Dame, meinte bei seiner Rückkunft der junge Mann, habe bei seinem Eintritt ihn so erschrocken angesehen, daß er schier darüber außer Fassung gekommen wäre. Ich will dir nicht verhehlen, Hans, daß bei diesen Worten sich mein Herz zusammenzog. Gleichwohl, nach drei weiteren Tagen, nachdem ich mein Haus bestellt hatte, nahm ich Abschied von den Freunden, die, da ich mit einer Hochzeit nichts zu tun haben wollte, auch mit dieser Badereise zufrieden waren, auf die sie Gott weiß welche Hoffnung setzten. – Und so, mein alter, mein ältester Freund«, schloß er, mir seine Hand hinüberreichend, »sitze ich denn hier bei dir wie einst vor manchen Jahren; es ist mir wie ein Ring, der sich geschlossen hat.«
Er hatte eine Weile geschwiegen; den Kopf geneigt, daß meine Augen auf sein ergrauendes Haar sahen, so saß er vor mir; dann begann er noch einmal, ohne aufzublicken: »Daß ich meiner Elsi den Tod gegeben, während ich nach dieser neuen Vorschrift vielleicht ihr Leben hätte erhalten können, das liegt nicht mehr auf mir; es ist ein Schwereres, an dem ich trage – so mühselig, daß ich, wäre es möglich, an den Rand der Erde laufen würde, um es in den leeren Himmelsraum hinabzuwerfen. Laß es dir sagen, Hans, es gibt etwas, von dem nur wenige Ärzte wissen, auch ich wußte nicht davon, obgleich ihr mich zum Arzt geboren glaubtet, bis ich daran zum Verbrecher wurde.«
Er atmete tief auf. »Das ist die Heiligkeit des Lebens«, sprach er. »Das Leben ist die Flamme, die über allem leuchtet, in der die Welt ersteht und untergeht; nach dem Mysterium soll kein Mensch, kein Mann der Wissenschaft seine Hand ausstrecken, wenn er’s nur tut im Dienst des Todes, denn sie wird ruchlos gleich der des Mörders!«
Ich ergriff seine Hand: »Schmähe dich nicht selber, Franz! Du hast auch so genug zu tragen!«
»Du hast recht«, sagte er aufstehend; »es taugt auch nicht, davon zu reden; nur die eine Frage ist zurück: Was nun?« Er war aufgestanden und ging im Zimmer hin und wider.
»Die Lenthes«, sagte ich, »haben dir ein derbes Mittel angeraten!«
»Für einen Unschuldigen«, erwiderte er, »vielleicht nicht unrecht; und doch« – er war
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