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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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auf einen weißen Apparat, wie sie in den amerikanischen Vorabendserien der 80er der letzte Schrei gewesen waren. »Ich hatte den Eindruck, sie sei in einem Restaurant. Es war ziemlich laut im Hintergrund, Leute sprachen, ich hörte Gelächter und Musik.«
    »Live? Oder vom Band.«
    »Ich glaube vom Band. Wissen Sie: Wenn Clara nach Georgien kommt, stehen Zeitungen und Magazine, Radio- und Fernsehsender Schlange. Wir interessieren uns sehr für unsere Landsleute, die es im Ausland zu etwas gebracht haben.«
    »Clara ist doch Deutsche«, sagte ich.
    »Sie kann Deutsche sein und ebenso eine von uns. Sie vergisst nie, woher sie stammt. Sie tut so viel Gutes für begabte Kinder.« Es folgte eine Lobeshymne, die mir die gute Clara Cleveland ein wenig unheimlich werden ließ. »Clara hatte es nie leicht. Sie feierte zwar schnelle und nachhaltige Erfolge in Deutschland, als Sängerin, meine ich, aber das bedeutet ja nicht, dass ihr alles einfach so zugeflogen wäre. Sie muss immer noch hart kämpfen. Wenn sie mir manchmal erzählt, wie es an der Oper zugeht, wie man sich da gegenseitig behakt und sich den Erfolg neidet, um die Zuneigung des Publikums buhlt, dann bin ich jedes Mal ganz froh, hier in meiner kleinen Wohnung zu sitzen und mit meinen Schülern Tonleitern zu üben.«
    »Warum ist sie eigentlich nach Deutschland ausgereist?«
    »Ihre Mutter wollte unbedingt weg. Ihr Mann war früh gestorben, und sie hatte nur diese eine Tochter. Ihr einziges Kind sollte eine gute Zukunft haben. Claras Talent war früh entdeckt worden. Für Clara war es sehr hart, ihre Heimat zu verlassen. Sie liebte ihre Großmutter unendlich, die wollte oder konnte jedoch nicht mit nach Deutschland. In den ersten Jahren, nachdem sie Georgien verlassen hatte, litt Clara extrem unter der Trennung. Wir hatten die Sowjetunion, wir konnten nicht einfach so irgendwo hinfahren! Claras Mutter starb sechs Jahre, nachdem sie ausgesiedelt waren. Ein Verkehrsunfall, ganz tragisch. Clara war gerade 18 geworden. Sie blieb bei einem entfernten Verwandten, studierte und …« Tamaras Blick verlor sich auf einem kleinen Tellerchen mit frisch aufgeschnittenen Zitronenscheiben. »Nehmen sie keine Zitrone zum Tee?«
    »Und Claras Großmutter – lebt sie noch?«, fragte ich.
    »Das weiß niemand«, sagte Tamara. »Sie ist eines Tages spurlos verschwunden.«

18
    Sopo führte uns durch Sighnaghi und ich schoss ein paar Fotos. Halbherzig, denn in Gedanken war ich woanders.
    »Was, wenn Clara von all den Auftritten, dem Ruhm, der Öffentlichkeit die Nase voll hatte und einfach ausgestiegen ist?«, raunte ich Juliane zu, während wir im gleißenden Sonnenschein vor einem Brunnen stehen blieben und den Fontänen beim Sprudeln zusahen.
    »Ausgestiegen?«
    »Einfach raus aus allem. Der Fluchtinstinkt, der uns alle mal überfällt.«
    »Sie wirkt extrem pflichtbewusst«, konterte Juliane. »Engagement in München, Talentpflege in Georgien, Konzerttournee durch den Kaukasus.«
    »Eben! Das hält kein Mensch auf Dauer durch.«
    »Vielleicht kam ihr auch die Stimme abhanden«, schlug Sopo vor und drapierte ihre Schönheit auf dem Rand des Beckens.
    Ich fotografierte sie. Sie lächelte in die Linse wie ein Model, das seit Jahren nichts anderes tat.
    »Sie ist sehr jung«, pflichtete Juliane ihr bei. »Eine Opernstimme muss auch mal geschont werden. Die ständigen Auftritte verlangen ihr alles ab. Viele Sängerinnen merken irgendwann, dass es höchste Eisenbahn ist, eine Pause einzulegen, wenn sie noch ein paar Jahre weitersingen wollen.«
    Wir sahen einander ratlos an, bis Sopo kurz entschlossen die Notizen mit den Telefonnummern herauskramte und in Balnuri bei Claras Verwandten anrief. 20 Minuten später, in denen sie wie ein Kreisel den Brunnen umrundet hatte, erstattete sie Bericht.
    »Das war Claras Tante Ruth. Wie soll ich sagen … auf die berühmte Sopranistin ist man nicht so gut zu sprechen.«
    »Weshalb nicht? Sind die Tanten nicht stolz auf sie?« Juliane dirigierte uns zu einem Café, wo wir uns in den Schatten setzten und unschlüssig die Getränkekarte betrachteten.
    »Tamara hat die Situation richtig erfasst: Man ist neidisch auf Clara.«
    »Ich weiß nicht«, wandte ich ein, während Sopo Granatapfelsaft für alle bestellte. »Wenn Clara wirklich so viel für den Chor tut, wie alle behaupten, müssen sie nicht nur stolz auf die berühmte Sängerin sein. Sondern auch dankbar. Oder sie müssen wenigstens so tun.«
    »Ich habe versucht, nachzufragen, aber die

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