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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Bett gesunken, klingelte das Telefon.
    »Hallo?«
    »Beso hier. Von der Rezeption. Gestern spät nachts hat jemand für Sie angerufen und mich gebeten, Ihnen eine Notiz zu übergeben. Ich habe sie unter der Tür durchgeschoben. Haben Sie sie gefunden?«
    Verwirrt richtete ich mich auf. Tatsächlich lag ein weißer Briefbogen mit der Anschrift des Hotels auf dem Boden.
    »Ich glaube schon«, sagte ich, legte auf und griff nach dem Blatt.
    ›Sie sollten sehr, sehr vorsichtig sein.‹
    Aha. Ich rieb meine Stirn und dankte dem Wein der vergangenen Nacht, der die Wirklichkeit nur gedämpft zu mir durchließ.
    Nach einer Minute rief ich die Rezeption zurück.
    »Beso? Haben Sie diese Mitteilung auf Deutsch bekommen?«
    »Nein, auf Georgisch. Ich habe sie übersetzt.«
    »Hat eine Frau oder ein Mann angerufen?«
    »Eine Frau. Ist alles in Ordnung?«
    »Absolut!« Blöde Frage. Solche Mitteillungen waren der Beginn von Schwierigkeiten. Eigentlich steckte ich bereits mittendrin. Ich schob das Blatt unter mein Bettlaken, verschloss sorgfältig die Tür und ging unter die Dusche.
     
    Die Landschaft erstrahlte von Kilometer zu Kilometer in einem tieferen Grün. Die kargen Berghänge, die die Umgebung der Hauptstadt dominierten, wichen zarten, bewaldeten Hügeln. Sopo war mit einem Typen namens Wano aufgetaucht, der sich als unser Fahrer für heute vorstellte. Er hatte dickes, halblanges Haar, durchwirkt von ersten Silberfäden im tiefen Schwarz, trug Jeans und ein einwandfrei gebügeltes, hellrotes Hemd. In gebrochen Englisch parlierend, rauchte er wie ein Fabrikschornstein und unterbrach Sopo ohne Unterlass, um Geschichten von Touristen loszuwerden, die er auf Tour mitgenommen hatte.
    »Die wollten unbedingt an die aserbaidschanische Grenze gebracht werden«, sagte er gerade. »Was gibt es da zu sehen? Bis ich kapierte, die wollen nach David Garedschi. Als hätten wir keine anderen Höhlenstädte. Statt dass sie sagen, wir wollen genau da und da hin, verlangen sie, dass ich sie an die aserbaidschanische Grenze bringe.« Er spuckte aus dem offenen Fenster. Juliane hatte sich sicherheitshalber in einen dicken, roten Schal eingewickelt und eine Sonnenbrille aufgesetzt, um dem Fahrtwind standzuhalten. Ich fröstelte.
    »Was haben Sie in Sighnaghi vor? Wollen Sie nicht auch nach Zinandali? Die haben da gerade eine Ausstellung. Salvador Dalí. Verrückte Type, dieser Dalí.«
    Während Sopo und Wano in eine temperamentvolle Unterhaltung auf Georgisch verfielen und Juliane hingegeben die Landschaft bewunderte, die kleinen Dörfer, die wir in unvermindertem Tempo durchfuhren, die Frauen, die am Straßenrand Käse, Brot, Obst und allerlei Kleinkram verkauften, brütete ich über der Mitteilung, die Beso pflichtbewusst entgegengenommen hatte. Wem war ich in den wenigen Tagen in Tbilissi dermaßen auf die Zehen getreten, dass er, besser gesagt sie, sich gestört fühlte? Die Frauen vom Chor? Bestimmt nicht. Die waren begeistert über die Aussicht gewesen, in meinem Artikel erwähnt zu werden und auf diese Weise ihren Bekanntheitsgrad in Deutschland zu steigern. Thomas konnte kein Georgisch. Außerdem hatte er keinen Grund, mich zur Vorsicht zu mahnen. Als Beso die Nachricht diktiert wurde, war ich mit ihm zusammen gewesen. Und er war definitiv ein Mann.
    Womöglich gab es da eine Freundin, die seinen Seitensprung beobachtet hatte. Das wäre logisch. Eine Frau, die auf Thomas ernsthaft scharf war, und davon gab es bestimmt eine ganze Menge, konnte es kaum dulden, wenn sich eine andere an ihn heranmachte. Für mich war Thomas nicht mehr als eine Verabredung für eine Nacht. Im Augenblick war mir nicht einmal klar, ob ich Lust hatte, ihn wiederzusehen. Solche fliegenden Wechsel waren mein Lebensstil für etliche Jahre gewesen. Ich stellte fest, dass mich ihr Reiz neuerlich beflügelte. Ich musste Thomas nicht lieben, mich nicht nach ihm richten und keine Rücksicht auf seine Launen nehmen. Ich genoss einfach, was er zu bieten hatte. Befreiend! Mochte er so viele Ladys am Start haben, wie er wollte, ich hatte meinen Anteil am Vergnügen bekommen. Ich beschloss, Juliane nichts von der seltsamen Warnung zu sagen und sie unter ›Eifersucht‹ zu verbuchen.
    Als mein Handy klingelte, war ich ganz dankbar für die Ablenkung. Allerdings hatte ich nicht mit Lynn gerechnet.
    »Kea? Wie läuft’s?«
    »Im grünen Bereich.«
    »Hör mal, ich muss deine Frist verkürzen. Die Amerikaner wollen den Beitrag früher bringen, und wir müssen ihn noch

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