Werwolf-Spuk
das Vogelmädchen hinlegte. Es wollte seiner Ziehmutter nicht wehtun, und so sorgte Carlotta dafür, dass Maxine nicht mal einknickte.
Die Tierärztin zitterte, als sie den festen Boden unter den Füßen spürte.
Das Abenteuer hatte sie erschüttert. Einige Male atmete sie tief durch, bis sie dorthin ging, wo man sie zu Boden geworfen hatte. Carlotta ging nicht mit. Sie blieb als Aufpasserin stehen und schaute sich immer wieder um.
Maxine Wells fand den Platz. Dort war das Gras auch niedergedrückt worden, und eigentlich hätte der bewusstlos geschossene Wolf noch hier liegen müssen, den aber hattet die unbekannte Frau mitgenommen. Sie musste es verdammt eilig gehabt haben, denn das Gewehr lag noch im Gras. Sie hob die Schultern und kehrte zu Carlotta zurück. »Es ist alles nur noch Erinnerung«, erklärte sie. »Aber ich werde es so leicht nicht vergessen. Außerdem bin ich mir sicher, dass es erst der Anfang gewesen ist. Ich glaube nicht, dass die unbekannte Frau so schnell aufgeben wird.«
»Aber was wollte sie genau?«
»Mich!«
»Und weiter?«
»Da kann ich nur spekulieren.« Ein Kälteschauer durchrann Maxine’s Körper. »Aber nicht hier, Carlotta. Lass uns ins Haus gehen. Ich brauche jetzt einen Tee mit Rum.«
»Für mich reicht Tee.«
Maxine konnte wieder lachen. »Das habe ich mir beinahe gedacht, meine Liebe. Und habe ich mich schon bedankt?«
»Wofür?«
»Dafür, dass du mir das Leben gerettet hast.«
Da lief Carlotta schnell weg.
***
Jeder Bahnhof der Welt hat so seine Schattenseiten. Da gibt es schlimme Ecken innerhalb und auch außerhalb, das wussten wir auch, und wir hatten uns darauf eingestellt.
Der Anrufer hieß Amos Irving. Er hatte mir erklärt, dass er als Lokführer arbeitete und auf der Strecke London – Edinburgh – Dundee fuhr. Das war völlig normal. Unnormal allerdings war, dass er uns an einem Platz in einem Güterbahnhof treffen wollte. In einem stillgelegten Waggon, dessen Standort er uns genau beschrieben hatte.
Tagsüber wäre das kein Problem gewesen, doch Irving hatte darauf bestanden, uns in der Nacht zu sehen, und er gab zu, dass er dafür seine Gründe hatte, auf die wir sehr gespannt waren.
Natürlich läuft man nicht einfach zu einem Treffen mit jedem x-beliebigen Fremden hin. Man trifft schon seine Vorbereitungen, und das hatten auch wir getan.
Wir hatten uns über den Mann erkundigt. Es lag nichts gegen ihn vor. Er musste vom Alter her über 40 sein, und seinen Job als Lokführer übte er bereits seit fast 20 Jahren aus.
Als Zeit hatte er sich die Tageswende ausgesucht. Mit einer Toleranz von einer Viertelstunde.
Wir waren in den Norden Londons gefahren nach Marylebone. Dort gab es neben dem normalen Bahnhof noch einen für Gütertransporte, und dort stand auch der Waggon.
Für unseren Rover hatten wir in einer schmalen Nebenstraße noch einen Parkplatz gefunden. Dort wohnte kein Mensch, aber hohe Lagerhäuser flankierten die Gassen.
Nach dem Aussteigen klopfte ich auf das Wagendach »Dann hoffe ich doch, dass wir dich unbeschädigt wiederfinden.«
»Seit wann bist du so sentimental?«, fragte Suko.
»Ich habe mich eben an das Auto gewöhnt.« Dann schüttelte ich den Kopf. »Stell dir mal vor, wie wären mit deinem BMW gefahren.«
»Lieber nicht.«
Das Bahngelände lag rechts von uns, und der Weg dorthin war nicht zu übersehen, als wir den Bereich der Lagerhäuser verlassen hatten. Eingezäunt war das Gelände auch, doch Irving hatte uns eine Stelle gesagt, an der wir glatt und ohne Probleme auf das Gelände gelangen würden.
Wir fanden sie nach einigem Suchen und brauchten nur den Draht zu Seite zu schieben. Suko schlüpfte als Erster hindurch. Er hielt mir das Loch offen und grinste, als ich fast fest hing.
»Du solltest abnehmen, John.«
»Klar, nach dir.«
»Ich bin gut durchgekommen.«
Ich sagte nichts und schritt über einen lehmigen und etwas feuchten Boden. Die flache Strecke endete vor einer Böschung, auf der wir Gleise sahen, die in der Dunkelheit silbrig glänzten.
Etwas weiter entfernt parkten die Waggons. Es standen nie viele beisammen. Auf verschiedenen Gleisen bildeten sie Gruppen, und sie wurden jedes Mal durch Puffer aufgehalten.
Wir kletterten die Böschung hoch, was nicht so einfach war, denn unter unseren Füßen löste sich immer wieder Schotter. Dann rollten die kleinen Steine zurück.
Im Schatten eines Waggons blieben wir stehen. Rechts von uns lag der normale Bahnhof. Dort leuchteten auch in der Nacht die
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