West-östlicher Divan (German Edition)
Noch einen Becher!
Schenke
Herr, du hast genug getrunken;
Nennen dich den wilden Zecher!
Dichter
Sah'st du je, daß ich gesunken?
Schenke
Mahomet verbietet's.
Dichter
Liebchen!
Hört es niemand, will dir's sagen.
Schenke
Wenn du einmal gerne redest,
Brauch ich gar nicht viel zu fragen.
Dichter
Horch! Wir andern Musulmanen,
Nüchtern sollen wir gebückt sein,
Er, in seinem heilgen Eifer,
Möchte gern allein verrückt sein!
Saki
Denk, o Herr, wenn du getrunken,
Sprüht um dich des Feuers Glast!
Prasselnd blitzen tausend Funken,
Und du weißt nicht, wo es faßt.
Mönche seh ich in den Ecken,
Wenn du auf die Tafel schlägst,
Die sich gleisnerisch verstecken,
Wenn dein Herz du offen trägst.
Sag mir nur, warum die Jugend,
Noch von keinem Fehler frei,
So ermangelnd jeder Tugend,
Klüger als das Alter sei.
Alles weißt du, was der Himmel,
Alles, was die Erde trägt,
Und verbirgst nicht das Gewimmel,
Wie sich's dir im Busen regt.
Hatem
Eben drum, geliebter Knabe,
Bleibe jung und bleibe klug!
Dichten zwar ist Himmelsgabe,
Doch im Erdenleben Trug.
Erst sich im Geheimnis wiegen,
Dann verplaudern früh und spat!
Dichter ist umsonst verschwiegen,
Dichten selbst ist schon Verrat.
Sommernacht
Dichter
Niedergangen ist die Sonne,
Doch im Westen glänzt es immer;
Wissen möcht ich wohl, wie lange
Dauert noch der goldne Schimmer?
Schenke
Willst du, Herr, so will ich bleiben,
Warten außer diesen Zelten;
Ist die Nacht des Schimmers Herrin,
Komm ich gleich, es dir zu melden.
Denn ich weiß, du liebst, das Droben,
Das Unendliche zu schauen,
Wenn sie sich einander loben,
Jene Feuer in dem Blauen.
Und das hellste will nur sagen:
"Jetzo glänz ich meiner Stelle;
Wollte Gott euch mehr betagen,
Glänztet ihr wie ich so helle."
Denn vor Gott ist alles herrlich
Eben, weil er ist der Beste;
Und so schläft nun aller Vogel
In dem groß und kleinen Neste.
Einer sitzt auch wohl gestängelt
Auf den ästen der Zypresse,
Wo der laue Wind ihn gängelt,
Bis zu Taues luftger Nässe.
Solches hast du mich gelehret,
Oder etwas auch dergleichen;
Was ich je dir abgehöret,
Wird dem Herzen nicht entweichen.
Eule will ich deinetwegen
Kauzen hier auf der Terrasse,
Bis ich erst des Nordgestirnes
Zwillings-Wendung wohl erpasse.
Und da wird es Mitternacht sein,
Wo du oft zu früh ermunterst,
Und dann wird es eine Pracht sein,
Wenn das All mit mir bewunderst.
Dichter
Zwar in diesem Duft und Garten
Tönet Bulbul ganze Nächte,
Doch du könntest lange warten,
Bis die Nacht so viel vermöchte.
Denn in dieser Zeit der Flora,
Wie das Griechenvolk sie nennet,
Die Strohwitwe, die Aurora,
Ist in Hesperus entbrennet.
Sieh dich um, sie kommt! wie schnelle!
über Blumenfelds Gelänge!—
Hüben hell und drüben helle,
Ja, die Nacht kommt ins Gedränge.
Und auf roten, leichten Sohlen
Ihn, der mit der Sonn entlaufen,
Eilt sie irrig einzuholen;
Fühlst du nicht ein Liebe-Schnaufen?
Geh nur, lieblichster der Söhne,
Tief ins Innre, schließ die Türen!
Denn sie möchte deine Schöne
Als den Hesperus entführen.
Der Schenke (schläfrig)
So hab ich endlich von dir erharrt
In allen Elementen Gottes Gegenwart,
Wie du mir das so lieblich gibst!
Am lieblichsten aber, daß du liebst.
Hatem
Der schläft recht süß und hat ein Recht, zu schlafen,
Du guter Knabe, hast mir eingeschenkt,
Vom Freund und Lehrer, ohne Zwang und Strafen,
So jung vernommen, wie der Alte denkt.
Nun aber kommt Gesundheit holder Fülle
Dir in die Glieder, daß du dich erneust.
Ich trinke noch, bin aber stille, stille,
Damit du mich, erwachend nicht, erfreust.
Buch der Parabeln
Mathal Nameh: Buch der Parabeln
Vom Himmel sank
Vom Himmel sank in wilder Meere Schauer
Ein Tropfe bangend, gräßlich schlug die Flut;
Doch lohnte Gott bescheidnen Glaubensmut
Und gab dem Tropfen Kraft und Dauer.
Ihn schloß die stille Muschel ein.
Und nun, zu ewgem Ruhm und Lohne,
Die Perle glänzt an unsers Kaisers Krone
Mit holdem Blick und mildem Schein.
Bulbuls Nachtlied
Bulbuls Nachtlied durch die Schauer
Drang zu Allahs lichtem Throne,
Und dem Wohlgesang zu Lohne
Sperrt er sie in goldnen Bauer.
Dieser sind des Menschen Glieder.
Zwar sie fühlet sich beschränket,
Doch wenn sie es recht bedenket,
Singt das Seelchen immer wieder.
Wunderglaube
Zerbrach einmal eine schöne Schal
Und wollte schier verzweifeln;
Unart und übereil zumal
Wünscht ich zu allen Teufeln.
Erst rast ich aus, dann weint ich weich
Beim traurigen Scherbelesen.
Das jammerte Gott, er schuf es gleich
So ganz, als
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